Millionen Dieselautos in Deutschland droht noch im Jahr 2024 die angeblich Stilllegung. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zeigte sich am Donnerstag besorgt über entsprechende Pläne der EU. Viele Bürger fragen sich unterdessen: Wäre mein Auto betroffen? Und wie erkenne ich das? Unterdessen hat sich auch die EU-Kommision geäußert.
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Wissing warnte die EU-Kommission vor einer Stilllegung von bundesweit rund acht Millionen Dieselfahrzeugen. Es geht dabei um eine mögliche neue Auslegung bei der Einhaltung von Schadstoffgrenzwerten. Dazu läuft aktuell ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Die Messungen der Schadstoffgrenzwerte finden derzeit noch im Labor unter kontrollierten Bedingungen statt. Und das ist der Knackpunkt. Die EU will die Abgaswerte künftig unter „realen Bedingungen“ messen, also direkt auf der Straße.
Wissing: Nicht realisierbare nachträgliche Anforderung
Das würde bedeuten, dass die Grenzwerte auch bei sogenannten „Vollastfahrten“ mit Steigung einzuhalten wären - heißt: wenn ein Auto voll geladen bergauf fährt und der Motor seine maximal mögliche Leistung erreicht. „Dies ist nach derzeitigem Stand der Technik nicht umsetzbar und würde damit an die in Verkehr befindlichen Fahrzeuge eine nicht realisierbare nachträgliche Anforderung darstellen“, so Wissing in dem Schreiben.
Sämtliche Genehmigungen für Abgasnormen Euro 5 würden in Frage gestellt, womöglich auch Euro 6
Sämtliche Euro 5-Genehmigungen würden dadurch infrage gestellt. Ausgeschlossen seien auch nicht Konsequenzen für Fahrzeuge nach der Abgasnorm Euro 6. „Millionen von Fahrzeugen droht damit die Außerbetriebsetzung“, so Wissing.
Allein in Deutschland wären 4,3 Millionen Euro 5- und gegebenenfalls 3,9 Millionen Euro 6-Dieselfahrzeuge betroffen. Nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts waren Anfang 2024 in Deutschland rund 49 Millionen Pkw in Betrieb.
Wie finde ich die Schadstoffklasse meines Autos heraus?
Egal welches Baujahr ein (Diesel-)Auto hat: Es ist auf alle Fälle abgaszertifiziert – und in eine der Schadstoffklassen Euro 0 bis Euro 6e eingeteilt. Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist die Schadstoffklasse aber nicht die auf der Feinstaubplakette (rot, gelb oder grün) aufgedruckte Zahl.
Welche Schadstoffklasse das Auto wirklich hat, steht laut ADAC in der Zulassungsbescheinigung Teil I („Fahrzeugschein“). Diese wurde für jedes neue Fahrzeug nach dem 1. Oktober 2005 ausgestellt, Zu finden ist dort die sogenannte Emissionsklasse unter Punkt 14.1.
Steht dort ein Code von 35AO bis 35MO, hat das Fahrzeug laut ADAC die Euro 5 Abgasnorm. Bei 36NO bis 36YO ist es unter Euro 6 eingestuft.
Ältere Dieselautos von möglicher Stilllegung nicht betroffen, aber von Fahrverboten in manchen Städten
Bei Fahrzeugpapieren, die vor dem 1. Oktober 2005 ausgestellt wurden, ist der Code übrigens unter „Schlüsselnummer zu 1“ zu finden. Hier ist eine Euro 5 Abgasnorm aber wohl kaum zu finden – diese wurde erst für neue Automodelle ab 1. September 2009 verpflichtend. Bei Fahrzeugmodellen, die zu dem Zeitpunkt schon am Markt waren, galt laut Auto-Bild eine Übergangsfrist bis 1. Januar 2011.
Ältere Diesel wären somit von den von Wissing befürchteten EU-Plänen nicht betroffen – aber schon jetzt von Fahrverboten in manchen Städten. Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 dürfen etwa seit Januar 2023 in München nicht mehr auf dem Mittleren Ring fahren, selbst wenn sie eine grüne Plakette haben.
Wie wahrscheinlich ist eine Stilllegung?
Eine Sprecherin des ADAC verwies am Donnerstag gegenüber der Deutschen Presseagentur auf den Bestandsschutz. Der ADAC halte Diskussionen über eine drohende Stilllegung für „unsachgemäß“. Die betroffenen Fahrzeuge seien zum Zeitpunkt der Betriebnahme ordnungsgemäß zugelassen worden. „Änderungen im Messverfahren bei der Typgenehmigung eines Kfz zu einem späteren Zeitpunkt können nach Auffassung von ADAC Juristen nicht rückwirkend Anwendung finden.“ Eine Betriebsuntersagung sei vor diesem Hintergrund „abwegig“. Der ADAC hält dennoch eine Klarstellung für absolut dringlich, um Verbraucher nicht weiter zu verunsichern, wie eine Sprecherin sagte.
Brüssel nennt Debatte um Diesel-Autos „irreführend“
Die Brüsseler Behörde habe nicht die Absicht, rückwirkende Änderungen vorzunehmen, heißt es in einem Brief von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton an Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Auch wolle die Kommission keine Maßnahmen ergreifen, „die Bürger, die Autos in gutem Glauben gekauft haben, in irgendeiner Weise benachteiligen würden“. Betont wurde zudem, den Automobilherstellern solle kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand aufgebürdet werden. Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Aus dem Bundesverkehrsministerium hieß es, der Minister sehe seine Bedenken durch das Schreiben des EU-Kommissars nicht ausgeräumt. Die Kommission betone zwar, dass sie gegenüber Autoherstellern und Bürgern keine rückwirkenden Maßnahmen plane. Darum gehe es aber nicht. Es wäre nämlich nicht die Kommission, sondern der EuGH, der diese Entscheidung treffen würde, betonte eine Sprecherin. „Aus diesem Grund ist es jetzt wichtig, wie von Bundesminister Wissing vorgeschlagen, eine Klarstellung im europäischen Regelwerk vorzunehmen.“ Wissing sei dazu bereits auf seine EU-Amtskolleginnen und -Amtskollegen zugegangen.
Breton nannte Wissings Annahme in dem Antwortschreiben, um das er von Kommissionspräsidentin von der Leyen gebeten worden war, „irreführend.“ Die Kommission habe lediglich festgestellt, „dass die Pkw-Emissionsgrenzwerte unter normalen Einsatzbedingungen eingehalten werden müssen“, ergänzte ein Sprecher. Damit sei nicht jede Fahrsituation gemeint. Auch habe die Behörde ihren Standpunkt in dieser Frage nie geändert. Breton schrieb: „Ohne dem Ergebnis des anhängigen Gerichtsverfahrens vorzugreifen, wird die Kommission weiterhin Lösungen fördern, die saubere und gesunde Luft begünstigen und einen vorhersehbaren und umsetzbaren Rechtsrahmen fördern.“
Betroffen von den Urteilen sind Kommissionsangaben zufolge Fahrzeuge, die vor dem Inkrafttreten der derzeit geltenden Prüfverfahren in Verkehr gebracht wurden, zwischen 2011 und 2018.
− dpa
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