Kritik der Arbeitgeber
Blaumachen leicht gemacht? Hausärzte verteidigen telefonische Krankschreibung gegen Kritik

28.10.2024 | Stand 28.10.2024, 10:37 Uhr |

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband verteidigt die telefonische Krankschreibung gegen Kritik von Arbeitgeberseite. − Foto: Hannes P Albert/dpa

Für eine Krankschreibung muss man in bestimmten Fällen nicht immer extra in die Praxis. Arbeitgeber machen die Regel für hohe Krankenstände verantwortlich. Die Ärzteschaft hält dagegen.

  

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband verteidigt die telefonische Krankschreibung gegen Kritik von Arbeitgeberseite. „Die Einführung der Telefon-AU war aus medizinischer Sicht sinnvoll und ist bisher eine der ganz wenigen erfolgreichen politischen Maßnahmen zur Entbürokratisierung des Gesundheitswesens“, sagte die Co-Vorsitzende des Verbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, der „Rheinischen Post“.

Verband: Abschaffung der telefonischen Krankmeldung gefährdet Patientenversorgung



Dies jetzt abzuschaffen, gefährde die Patientenversorgung in den kommenden Monaten mit zahlreichen Infektionserkrankungen. „Unsere Praxen haben definitiv nicht die Kapazitäten, die Folgen irgendwelcher Scheinlösungen einzelner Politiker auszubaden“, sagte die Medizinerin. „Die Unterstellungen, dass sich die Menschen mithilfe der Telefon-AU einen schlanken Fuß machen, können wir aus unserer täglichen Arbeit nicht bestätigen.

  

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Die Möglichkeit, sich per Telefon krankschreiben zu lassen, war in der Corona-Pandemie eingeführt worden. Im Dezember 2023 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken eine dauerhafte Regelung. Patientinnen und Patienten können sich dann telefonisch krankschreiben lassen, wenn sie in der Praxis bekannt sind und keine schweren Symptome haben. Im Zuge ihrer Wachstumsinitiative für die Wirtschaft hat die Bundesregierung wegen des erhöhten Krankenstands eine Überprüfung der Maßnahme vereinbart.

Lindner: Künftig wieder Arztbesuch für Krankmeldung nötig



Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte unlängst gesagt: „Man wird für die Krankmeldung zukünftig wieder zum Arzt gehen müssen und das nicht einfach nur telefonisch erledigen können.“ Er wolle niemandem vorwerfen, die Regelung auszunutzen. Es gebe aber leider „eine Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand in Deutschland und der Einführung der Maßnahme, die als guter Bürokratieabbau gedacht war“. Auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) fordert eine Abschaffung der Telefon-AU. „Lasst uns zurückkehren zum bewährten Verfahren“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der „Rheinischen Post“.

Ärztekammer-Chef unterstützt Hausärzte



Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sprang hingegen den Hausärzten bei. „Ich bin sehr dafür, dass die telefonische Krankschreibung erhalten bleibt“, sagte Reinhardt dem Bayerischen Rundfunk. Er halte es „nicht für klug, das wieder abzuschaffen“. Der Ärztekammerpräsident begründet seine Ansicht mit dem hohen Mehraufwand für die Praxen. Einen Zusammenhang zwischen hohen Krankenständen und der erleichterten Möglichkeit, sich krankschreiben zu lassen sieht, sieht Reinhardt nicht: „Nein, den gibt es für mich definitiv nicht.“

Bayern melden sich öfter aber kürzer krank



Ein Blick nach Bayern: Die Bayern waren im dritten Quartal öfter aber kürzer krank. Darauf deuten Krankschreibungszahlen der Krankenkasse DAK hin, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Auf 100 Beschäftigte kamen ihnen zufolge 40 Krankschreibungen – das sind knapp 10 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im Schnitt waren die Betroffenen 10,1 Tage krankgeschrieben – einen weniger als im Vorjahreszeitraum.

Der durchschnittliche Krankenstand blieb dadurch konstant. An einem durchschnittlichen Tag waren − wie im Vorjahreszeitraum – 4,4 Prozent der Arbeitnehmer krankgeschrieben. Im bundesweiten Vergleich ist der Krankenstand in Bayern damit weiter unterdurchschnittlich. Der deutschlandweite Wert liegt bei 5,0 Prozent.

Die beiden Hauptursachen für Fehltage waren Psychische Erkrankungen wie etwa Depressionen und Anpassungsstörungen mit 78 Fehltagen je 100 Versicherten. Knapp dahinter folgten Muskel-Skelett-Erkrankungen mit 76 Fehltagen. Atemwegserkrankungen lagen mit 54 Tagen dahinter, hier ergab sich allerdings ein deutlicher Anstieg um gut 18 Prozent zum Vorjahresquartal. Dies sei „für ein Quartal mit vielen warmen Sommerwochen eher ungewöhnlich“, hieß es von der DAK.

„Der anhaltend hohe Krankenstand erfordert jetzt eine seriöse und gründliche Debatte, um die wirklichen Ursachen klar zu verstehen und eine nachhaltige Lösung für die Gesundheit der Mitarbeitenden zu finden“, sagte DAK-Landeschef Rainer Blasutto. „Schnellschüsse wie die Forderung nach einer Abschaffung der telefonischen Krankschreibung oder eine Blaumacher-Debatte helfen den Betroffenen und den Betrieben nicht weiter.“

− dpa

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