Bürgerentscheid - dabei kann man mit seiner Stimme über die Politik der Zukunft entscheiden, ganz konkret vor Ort. Bürgerentscheide ermöglichen es den Bürgerinnen und Bürgern, direkt über wichtige Projekte und Planungen mitzuentscheiden – sei es der Bau eines neuen Gemeindezentrums oder der Erhalt eines Parks. Doch wie genau funktioniert ein Bürgerentscheid?
Wer kann einen Bürgerentscheid initiieren?
Dem Bürgerentscheid geht das Bürgerbegehren voraus. Dieses kann laut Bayerischer Staatskanzlei grundsätzlich von jedem volljährigen Bürger bei der Gemeinde eingereicht werden. Damit die Gemeinde das Begehren behandelt, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss das Begehren eine eindeutig mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantwortende Fragestellung und eine Begründung enthalten.
Außerdem muss eine Mindestanzahl von Unterschriften von Gemeindebürgern vorliegen, die das Begehren unterstützen. Die Mindestzahl richtet sich nach der Einwohnerzahl der Gemeinde und wird von der Bayerischen Staatskanzlei festgelegt: Sie liegt zwischen drei und zehn Prozent der Gemeindeeinwohner. Bei Bürgerbegehren, die sich auf den gesamten Landkreis beziehen, beträgt die erforderliche Mindestzahl der Unterschriften bei bis zu 100.000 Einwohnern sechs Prozent und bei mehr als 100.000 Einwohnern fünf Prozent.
Sind die Voraussetzungen erfüllt, entscheidet der Gemeinderat spätestens innerhalb eines Monats über das Bürgerbegehren. Stimmt er zu, kommt es zum Bürgerentscheid. Lehnt der Gemeinderat das Begehren ab, können die Initiatoren dagegen klagen, erklärt die Bayerische Staatskanzlei. Der Bürgerentscheid entfällt, wenn der Gemeinderat die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beschließt.
Der Gemeinderat kann auch selbst ein dem Bürgerentscheid ähnliches Ratsbegehren über eine Angelegenheit im Gemeindegebiet beschließen.
Wie läuft die Abstimmung ab?
Beim Bürgerentscheid steht die im Bürgerbegehren gestellte Frage zur Abstimmung. Diese muss eindeutig mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. Zusätzlich kann der Gemeinderat, aber auch andere Bürger, nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren einen Gegenvorschlag zur ursprünglichen Fragestellung formulieren und zur Abstimmung stellen. So zum Beispiel in München 2012. Damals stimmten 53,2 Prozent gegen das Ratsbegehren des Stadtrats, eine dritte Start- und Landebahn am Münchener Flughafen zu bauen. Gleichzeitig stimmten 55,7 Prozent für das Bürgerbegehren, das den Bau einer dritten Start- und Landebahn ablehnte. Deswegen einigten sich Stadt und Landesregierung, vorerst keine weitere Landebahn am Flughafen zu bauen.
Für den Fall, dass die zur Abstimmung gestellten Fragen – wie im vorliegenden Beispiel – unvereinbar beantwortet werden können, entscheidet der Gemeinderat über eine Stichfrage, erläutert die Bayerische Staatskanzlei. Bei Stimmengleichheit in einem solchen Stichentscheid gilt der Bürger- bzw. Ratsentscheid mit der höheren Mehrheit. Zur Abstimmung beim Bürgerentscheid sind nach Angaben des Deutschen Instituts für Urbanistik alle Bürger aufgerufen, die auch zur Kommunalwahl wahlberechtigt sind.
Wann ist ein Bürgerentscheid erfolgreich?
In Bayern entscheidet das so genannte Zustimmungsquorum über den Erfolg eines Bürgerentscheids. Nach Angaben des Vereins „Mehr Demokratie“ handelt es sich dabei um eine Mindestzahl von Ja-Stimmen, die sich am Anteil aller Stimmberechtigten orientiert. So müssen nach Angaben der Bayerischen Staatskanzlei bei einem Bürgerentscheid in einer Gemeinde mit bis zu 50.000 Einwohnern mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen, damit der Bürgerentscheid bei einer Mehrheit erfolgreich ist. Bei Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern beträgt die Mindestzustimmung 15 Prozent, bei mehr als 100.000 Einwohnern zehn Prozent.
Sind in einer Gemeinde mit zum Beispiel 10.000 Einwohnern 8.000 Bürger wahlberechtigt, müssen bei der 20-Prozent-Regel mindestens 1.600 Bürger zustimmen, damit der Entscheid erfolgreich ist. Stimmen jedoch nur 1500 Bürger zu, auch wenn nur 500 Stimmberechtigte den Entscheid ablehnen, ist der Entscheid nicht erfolgreich. Eine Mindestwahlbeteiligung ist wegen des Zustimmungsquorums für den Erfolg nicht erforderlich. Bei Stimmengleichheit ist der Bürgerentscheid gescheitert.
Was passiert nach dem Bürgerentscheid?
Ist der Bürgerentscheid erfolgreich, hat er die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses und ist bindend. Er kann innerhalb eines Jahres nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden, so die Bayerische Staatskanzlei. Einzige Ausnahme: Die zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage ändert sich wesentlich.
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Eine Sperrfrist, wie sie in allen Bundesländern außer Baden-Württemberg nach einem Bürgerentscheid gilt, gibt es in Bayern nicht. Die Sperrfrist verhindert in der Regel für mehrere Jahre, dass erneut ein Bürgerentscheid zu einer bereits entschiedenen Frage initiiert werden kann. So können beispielsweise konkurrierende Initiativen nicht immer wieder Bürgerentscheide zum gleichen Thema einleiten. Auch kann ein Bürgerentscheid nicht so lange durchgeführt werden, bis er das den Initiatoren passende Ergebnis hat.
Kritik am Bürgerentscheid
Kritik an der Umsetzung des Bürgerentscheids kommt vor allem vom Verein „Mehr Demokratie“, insbesondere am Zustimmungsquorum. Dieses mache demokratisch zustande gekommene Mehrheiten zu Minderheiten, so der Verein auf seiner Internetseite. Er verweist dabei auf Forschungsergebnisse der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung, die nahe legten, dass das Quorum die Beteiligung bei Bürgerentscheiden im Vergleich zu Abstimmungen ohne Quorum senke – zumal die Wahlbeteiligung bei Bürgerentscheiden ohnehin meist nicht hoch sei. Zum Vergleich zieht der Verein Kommunalwahlen heran, bei denen die Gewählten unabhängig vom Stimmenanteil immer legitimiert seien.
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