Ohne persönliche Daten
Statt Corona-App: So funktioniert das Tracking mit "Excalibur"

11.02.2021 | Stand 20.09.2023, 0:05 Uhr

Die Corona-Warn-App hat Vor- und Nachteile. Das Bundesgesundheitsministerium bewertet den eingeschlagenen technischen Weg derzeit als richtig. −Foto: Becker, dpa

Der Think Tank Unleash Future hat ein Gerät entwickelt, um in der Pandemie Personen zu tracken, ohne dass dafür ein Smartphone oder die Erhebung persönlicher Daten notwendig sein sollen.

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Das System hat man privaten wie staatlichen Stellen angeboten, um einen Beitrag zur Corona-Bekämpfung zu leisten – teils kostenfrei, wie der Donaukurier berichtet. Interesse? Fehlanzeige. "Am Ende haben wir ,Excalibur’ als Open Source online gestellt in der Hoffnung, dass es vielleicht jemand nutzt, damit unser System endlich für die Pandemie-Bekämpfung eingesetzt wird." Dieser Satz stammt von Lars Holger Engelhard. Der 38-Jährige ist CEO von Unleash Future, einem Think Tank für Hochbegabte.

Die Gruppe hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ein neues Tracking-Tool zur Bekämpfung weltweiter Krankheitsausbrüche zu entwickeln. Und am Ende entstand dabei "Excalibur". Im Einsatz ist es jedoch zum Leidwesen Engelhards nicht, da sich selbst zur Hochphase der Pandemie kein Interessent fand.

Entwicklung begann noch vor Corona

Dabei begann die Entwicklungsarbeit bereits lange bevor Corona bekannt war. Anfang 2020 konnte man laut Engelhard eine Lösung präsentieren. "Wir hatten in den Jahren zuvor die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie berechnet", sagt Engelhard, der im Laufe seiner Karriere auch bei der Audi AG und dem früheren BFFT in Gaimersheim (Landkreis Eichstätt) tätig war. Globalisierung, Flüchtlingsströme, Klimakrisen und eine immer mobilere Bevölkerung hätten die Wahrscheinlichkeit für solche Ereignisse steigen lassen, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung. "Und 2019 hatten wir dann das Ergebnis, wir waren schockiert. Denn die Möglichkeit lag bei 98 Prozent, dass es in den kommenden drei Jahren zu einer Pandemie kommen kann."

Man verlor keine Zeit und machte sich an die Arbeit. "Wir haben zunächst überlegt, welche Optionen es gibt, wenn man nicht weiß, welche Art von Pandemie kommt. Was immer sinnvoll ist, ist eine Kontakt-Überwachung."
Eine App kam nicht infrage, da hierfür ein Smartphone nötig ist, was ganz junge und viele ältere Menschen ausschließt und oft mit Nutzung privater Daten einhergeht. "Und so haben wir ein Gerät entwickelt, nicht größer als ein Schlüsselanhänger", erklärt Engelhard. Und man habe im Backend-Konzept bereits Dinge berücksichtigt, die heute erst diskutiert werden – die Fähigkeit, Mutationen nachzuverfolgen etwa. "Hier waren wir unserer Zeit voraus, und wir haben noch heute einen Vorsprung vor den Lösungen, die aktuell genutzt werden", sagt Engelhard − auch mit Blick auf die gegenwärtig verbreitete Corona-Warn-App.

Absagen von WHO, Telekom & Co.

Denn "Excalibur" funktioniere anders als jede App: "Im Moment müssen wir auf den Datenschutz der staatlichen App vertrauen. Wir haben das anders gelöst und brauchen kein Datenzentrum oder eine zentrale Vertrauensinstanz, etwa einen Staat, einen Hersteller oder Ähnliches", betont der 38-Jährige. Selbst-Spotting ist das Stichwort. Man habe eine extrem günstige Lösung, die Menschen und auch Orte beschreiben könne – aber ohne Daten, die etwas über die Person oder die Orte direkt aussagen. Es würden nur sinnlose Hashtags generiert. "Und das soll dann die nötige Akzeptanz schaffen, damit möglichst viele mitmachen wollen."

Überzeugt von der eigenen Technologie und die Bedrohung durch Corona im Blick wandte sich der Think Tank an verschiedene Stellen und bot das Konzept an. "Wir dachten, dass sicher viele mitmachen wollen. Wir haben die WHO angeschrieben, wir haben es der Telekom angeboten, wir haben unser Konzept öffentlich gemacht – und nur Absagen bekommen", so Engelhard doch merklich enttäuscht. Man könne "Excalibur" auch lokal begrenzt nutzen, etwa in Hotels oder Produktionshallen. "Daher wäre es für Firmen intern verwendbar", ergänzt Jan Pflüger aus Engelhards Team. Sogar beim Bundeskanzleramt und beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) sei man vorstellig geworden. Kein Interesse.

Das sagt das Bundesgesundheitsministerium zu "Excalibur"

Das BMG teilte dem Donaukurier auf Anfrage mit, dass man digitalen Lösungen einen wichtigen Stellenwert zumesse, um die Gesundheitsversorgung in der gegenwärtigen Situation zu verbessern. Zudem würde das Ministerium von Minister Jens Spahn eine "Vielzahl vielversprechender Vorschläge und Ideen" erreichen. "Daher werden alle Vorschläge und Ideen dahingehend geprüft, wie diese nutzbringend eingesetzt werden können", betont ein Sprecher des BMG. Darunter eben auch Unleash Future mit "Excalibur". Wie der Sprecher weiter sagt, wurde in der E-Mail des Think Tanks auf eine Machbarkeitsstudie verwiesen, "der Reifegrad der Lösung konnte auf Basis der E-Mail nicht abschließend beurteilt werden", heißt es aus dem Ministerium.

"Mit der Entwicklung der Corona-Warn-App hat sich die Bundesregierung frühzeitig für einen Weg entschieden", sagt der Sprecher. Die Anzahl von mehr als 25,3 Millionen Nutzern und über 230.000 Menschen, die über die App andere Nutzerinnen und Nutzer aufgrund eines positiven Testergebnisses gewarnt hätten, sei aus Sicht der Bundesregierung eine Bestätigung, dass der eingeschlagene Weg richtig war. "Excalibur" wäre anders als die App aber international unbegrenzt und schnell einsetzbar, betont Unleash Future. "Es gibt in jedem Land eine eigene Corona-App und dazu noch unterschiedliche Datenschutzregelungen und eine variierende Akzeptanz für Datenschutz. Wir wollten eine internationale, wenigstens aber europäische Lösung", sagt Pflüger.

Ministerien wollen lieber national vorgehen

Doch daran bestehe bei Ministerien kein Interesse, sie würden lieber national vorgehen. Hier aber widerspricht das BMG gegenüber dem Donaukurier. Die App basiere auf dem wissenschaftlichen Konzept der pan-europäischen Initiative PEPP-PT (Pan European Privacy Preserving Proximity Tracing) sowie der damit verbundenen dezentralen Variante DP-3T (Decentralised Privacy-Preserving Proximity Tracing). "Das BMG hat in enger Zusammenarbeit mit der EU-Kommission von vornherein auf eine europäische und internationale Koordinierung gesetzt", so das Ministerium. Gerade PEPP-PT und DP-3T seien europäische und internationale Protokolle. Zudem seien Interoperabilitätsleitlinien auf EU-Ebene abgestimmt worden. Inzwischen sei die App mit bis zu 14 EU-Staaten über einen EU-Server interoperabel. Laut den Erfindern sei "Excalibur" hingegen weltweit nutzbar.

Bisher hat Unleash Future viel Geld aus eigener Tasche investiert. Sogar ein teures Patent hatte man angemeldet, es aber letztlich nicht finalisiert. Laut Pflüger könnten die ersten Tranchen der Geräte mit einem Investor oder interessierten Firmen in drei Monaten ausgeliefert und aktiv sein. Engelhard betont, "Excalibur" wäre auch für weitere Krankheiten – Schweinegrippe, Vogelpest und andere – einsetzbar. "Und das wurde uns am Ende sogar negativ ausgelegt", sagte er. "Mein Traum wäre, dass die Bundesregierung ,Excalibur’ auf die europäische Ebene hebt und es endlich gegen die Pandemie eingesetzt wird".