Geschichte
9. November: Was am „Schicksalstag“ der Deutschen alles passierte

08.11.2024 | Stand 10.11.2024, 7:21 Uhr |

Novemberrevolution, Hitlerputsch, Reichspogromnacht, Mauerfall - der 9. November gilt als Schicksaltag der deutschen Geschichte.  − Fotos: Picture-Alliance

Kaum ein Datum ist mit der deutschen Geschichte so verhaftet wie der 9. November. Je nach Ereignis ist der 9. November ein Symbol für Hoffnung und Frieden, aber auch für Verderben und Untergang. Was im letzten Jahrhunderte an einem 9. November in Deutschland geschehen ist – ein Überblick.

  

Für jede Bundesregierung ist es „ein besonderes Datum“, die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg nennt den 9. November gar „Schicksalstag der Deutschen“. Und in der Tat fielen in den letzten 100 Jahren viele Ereignisse von historischer Tragweite auf einen 9. November.

9. November 1918: Novemberrevolution

Es waren politisch turbulente Zeiten gegen Ende des Ersten Weltkriegs. Das deutsche Kaiserreich war besiegt, Reichskanzler Max von Baden hatte bereits Anfang Oktober 2018 die Alliierten um einen Waffenstillstand gebeten. Kaiser Wilhelm II. hatte seine Macht im Zuge der Oktoberreformen und auf Druck der Siegermächte größtenteils an den Reichstag abgeben müssen. Am 28. Oktober verließ er Berlin in Richtung Belgien.

Obwohl die Reichsleitung bereits um einen Waffenstillstand bemüht war, wollte die kaisertreue Marine-Führung noch am 24. Oktober einen Flottenbefehl umsetzen und die deutsche Hochseeflotte gegen die Royal Navy in die Schlacht entsenden. Das führte zur Meuterei einiger Besatzungen. Der sogenannte Kieler Matrosenaufstand vom 3. November 2018 wurde zum Flächenbrand und erreichte schließlich auch Berlin. Die Novemberrevolution mündete in die Ausrufung der Republik und die Abdankung des Kaisers, eigenmächtig verkündete durch von Baden, und schließlich in die Proklamation der (Weimarer) Republik durch den SPD-Politiker Philipp Scheidemann. Zwei Tage später, am 11. November, war der Erste Weltkrieg offiziell aus.

9. November 1923: Hitlerputsch

Wenn auch der Krieg vorbei war – die Zeiten wurden für das Volk nicht besser. Hyperinflation, Arbeitslosigkeit, Seuchen wie die Spanische Grippe und die militärische Besatzung des Rheinlandes führten dazu, dass extreme politische Bewegungen immer mehr Anhänger fanden. So auch die rechtsradikale NSDAP um den aus Braunau stammenden Adolf Hitler. Der damals 24-jährige gebürtige Österreicher plante zusammen mit dem konservativen Weltkriegs-General Erich Ludendorff von Bayern aus den Marsch auf Berlin. Er zählte dabei auf die Unterstützung durch die konservative bayerische Landesregierung, die ihm aber vor allem aufgrund des gewaltbereiten Auftretens der NSDAP-Anhänger letzten Endes verwehrt blieb. Am Höhepunkt des Hitlerputsches am 9. November kam es zum Schusswechsel nahe der Münchner Feldherrnhalle, vier Polizisten, ein Unbeteiligter und 15 Putschisten starben, allen spendete Pater Rupert Mayer das letzte Sakrament. (Mayer war später einer der bekanntesten geistlichen Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime.) Zahlreiche Verwundete, darunter Hermann Göring, wurden in die Universitätsklinik gebracht, wo sie unter anderem von Ferdinand Sauerbruch („Charité“) behandelt wurden. Hitler selbst konnte fliehen, wurde aber zwei Tage später in Uffing am Staffelsee festgenommen und kam in Haft. Er wurde daraufhin zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, aber bereits nach neun Monaten wegen guter Führung entlassen.

9. November 1938: Reichspogromnacht

Hätte er seine Haft vollständig absitzen müssen, vielleicht wäre der 9. November 1938 dann nicht als Reichspogromnacht oder Kristallnacht in die deutsche Geschichte eingegangen. Gruppen von SA und SS zogen damals durch die Straßen in ganz Deutschland, warfen scheiben jüdischer Geschäfte ein, plünderte diese oder legten Feuer. Synagogen wurden angezündet, Tausende Juden ermordet oder vom Nazi-Mob schwer verletzt. Der 9. November 1938 gilt als Wendepunkt in der Judenpolitik in Nazi-Deutschland: Von da an wurden Juden nicht nur diskriminiert, sondern offen verfolgt und entrechtet.

9. November 1989: Mauerfall

1989 war wohl der glücklichste 9. November in der deutschen Geschichte. Es ist der Tag des Mauerfalls. Das Symbol für die Jahrzehnte lange Teilung Deutschlands in Ost und West wurde geöffnet. Schon seit Monaten hatte sich die Lage in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zugespitzt, das SED-Regime unter Erich Honecker geriet zunehmend unter Druck. Auch weil sich der große Bruder Sowjetunion unter Michail Gorbatschow und dessen Perestroika mehr und mehr dem Westen zuwandte. Ab 4. September 1989 gingen die Menschen bei den so genannten Montagsdemonstrationen auf die Straßen und marschierten gegen die politischen Verhältnisse, für Reisefreiheit und für die Abschaffung der gefürchteten Stasi. „Wir sind das Volk!“ erklang von Leipzig ausgehend bald in allen größeren Städten der DDR.

Einen Vorgeschmack auf die bevorstehende Wende in der DDR gab es am 30. September, als Bundesaußenminister Friedrich Genscher (FDP) auf den Balkon der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag (Tschechien, damals noch Tschechoslowakai) getreten war. Hunderte Flüchtlinge aus der DDR hatten hier Zuflucht gesucht. Genscher sagte: „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ...“ – das „möglich geworden ist“ ging im Jubel der Masse unter.

Mauerfall war eigentlich ein Kommunikationsproblem



Die Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 beruht indes auf einem Kommunikationsproblem im SED-Politbüro. Dort hatte man sich auf eine Übergangsregelung für die ständige Ausreise aus der DDR inklusive Verlust der Staatsbürgerschaft geeinigt. Egon Krenz, der an die Stelle des bereits im Oktober entmachteten Erich Honecker als Staatsratsvorsitzender getreten war, übergab an Günter Schabowski einen Zettel mit den Auftrag, die darauf stehende „Weltnachricht“ bei der Pressekonferenz zu verkünden. Auf dem Zettel stand jedoch nichts von Übergangsregelung, auch von der eigentlich vereinbarten Sperrfrist sagte Krenz nichts. So verkündete der sichtlich irritierte Schabowski vor laufenden Kameras: „Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dafür noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise zu West-Berlin erfolgen.“ Nach seiner Kenntnis trete diese Neuregelung „sofort, unverzüglich“ in Kraft.

Da die Pressekonferenz live im DDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Tausende machten sich auf den Weg zu den Grenzübergängen, die ahnungslosen Grenzpolizisten waren komplett überfordert. Man hatte sie nicht informiert. Nach anfänglichem Zögern ließen sie die Menschen durch. Der Rest ist Geschichte und endete mit der offiziellen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, dem Tag der Deutschen Einheit.

Eigentlich wollte man den 9. November zum Feiertag der Einheit machen. Aufgrund der Reichspogromnacht wurde die Idee als unpassend fallen gelassen.

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