Über eine Millionen Follower
Zwei junge Palästinenser dokumentieren ihren Alltag im Gazastreifen auf Instagram

30.05.2024 | Stand 31.05.2024, 12:45 Uhr |

Mit ihren Videos über ihr Leben im Gazastreifen erreichen Mohammed und Omar mittlerweile Hunderttausende Follower. − Screenshot: Instagram/omarherzshow

Mehr als eine Millionen Follower haben die Blogger Omar und Mohammed mittlerweile in den sozialen Medien gesammelt – nicht mit Tanzvideos oder Kochclips, sondern mit Videos über ihr Leben im Gazakrieg.



In kurzen Beiträgen auf Instagram dokumentieren sie ihren Alltag zwischen der Zerstörung und den anhaltenden Kämpfen in dem Küstenstreifen am Mittelmeer.

Zwei junge Männer, die darüber posten, wie sie mit ihrer Geschäftsidee Erfolg haben möchten und durchstarten wollen – in den sozialen Medien eigentlich nichts Ungewöhnliches. Aber Omar und Mohammed posten ihre „Herz and Omar Show“ auf Instagram nicht aus einer hippen Großstadt mit Start-up Szene, sondern mitten aus einem Kriegsgebiet, dem Gazastreifen.

Verfolgen Sie alle wichtigen Entwicklungen zum Gazakrieg in unserem Liveblog.

Die Internetzentrale für Gaza



Ihr „Minibusiness“, wie Omar und Mohammed es nennen, betreiben sie eigenen Angaben zufolge aus einem Café in Deir Al-Ballah, einer Stadt im Zentrum des Gazastreifens. Da das Internet in Gaza immer wieder ausfällt, helfen sie ihren Kunden mit sogenannten eSIMs dabei, ihre Onlinegeschäfte zu erledigen. Onlinebanking, Apps herunterladen oder Filme kaufen, dafür kommen die Leute zu Mohammed und Omar.

Sie seien quasi die Internetzentrale für Gaza, sagen sie in einem ihrer Videos. Und sie haben noch weitere Geschäftsideen und wollen zum Beispiel Computerspiele und Controller vermieten. Akribisch dokumentieren die beiden dabei, wie viel sie mit ihrem Geschäft verdienen und was sie täglich ausgeben.

Flucht und Wiedersehen in Deir Al-Ballah



Das erste Video veröffentlichten die beiden Palästinenser am 13. April. Zu diesem Zeitpunkt tobte der Krieg im Gazastreifen, dessen Auslöser der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober war, schon seit mehreren Monaten. Seitdem haben sie mehr als eine Millionen Follower erreicht, die sie an ihrem täglichen Leben im Kriegsgebiet teilhaben lassen.

Viele Menschen haben durch die anhaltenden Kämpfe zwischen der israelischen Armee und radikalislamistischen Gruppen wie der Hamas ihr Hab und Gut verloren und mussten ihre Häuser verlassen. Auch Omar und Mohammed hätten ihr Zuhause verloren und seien mit ihren Familien geflohen, schreiben sie auf der Crowdfunding-Plattform „gofundme“. Sie hätten sich schon vor dem Krieg flüchtig gekannt, aber erst als sie sich in Deir Al-Ballah wiedertrafen, begannen sie, viel Zeit miteinander zu verbringen und beschlossen, ihr eigenes Geschäft aufzumachen.

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Geschlossene Bäckereien und Schokoküsse für zwei Dollar



Das „Minibusiness“ soll auch dabei helfen, die immer höher werdenden Lebenshaltungskosten für sie und ihre Familien zu stemmen. Mohammed hat zwei Brüder und zwei Schwestern, Omar zwei Brüder. Durch den Krieg seien die Preise für Lebensmittel im Gazastreifen explodiert, berichten sie.

Für eine Süßigkeit wie einen Schokokuss zahlen die beiden Palästinenser auf dem Markt mittlerweile zwei Dollar, erzählen sie in einem ihrer Videos. Vor dem Krieg habe der Preis noch bei 50 Cent gelegen. Der Preis für Brot sei seit dem Beginn der israelischen Offensive auf Rafah auf sechs Dollar gestiegen, viele Bäckereien und Restaurants blieben geschlossen.

In einem ihrer Videos zeigen Mohammed und Omar die verschlossenen Rollläden einer Bäckerei. Normalerweise, sagen sie, ständen die Leute hier immer Schlange, um Brot zu kaufen. Aber der Preis für Mehl sei mittlerweile so enorm hoch, dass die Bäckereien nicht mehr backen würden.

Solidarität und kritische Stimmen in den Kommentaren



Neben ihrem Internetgeschäft betreiben die beiden jungen Männer eigenen Angaben zufolge auch einen Schachclub für Kinder und organisieren Turniere für sie. Mit kleinen Geschenken und Süßigkeiten wollen sie die jungen Schachspieler für ihre Teilnahme an dem Club belohnen. Ihre Follower auf Instagram nehmen sie dabei auf der Suche nach den Preisen für die Teilnehmer auf die Märkte und in die Geschäfte von Deir Al-Ballah mit.

Die Folgen der Kämpfe sind dabei immer sichtbar. So zeigen Omar und Mohammed reihenweise Zelte aus Plastikplanen, die am Straßenrand aufgebaut sind. Sie erzählen, dass unter den Planen Geflüchtete aus Rafah untergekommen sind, die sonst kein Dach mehr über dem Kopf gefunden haben.

In den Kommentaren unter ihren Videos zeigen sich viele solidarisch mit ihnen. Aber es finden sich auch kritische Stimmen, die zum Beispiel an das Schicksal der mehr als hundert israelischen Geiseln erinnern, die immer noch von der Hamas und anderen Gruppen festgehalten werden.

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