Ab Montag werden die diesjährigen Nobelpreisträgerinnen und -preisträger gekürt. In Zeiten mit Wissenschaftsleugnern und Konflikten seien die Preise eine „Kraft für das Gute“, betont man in Stockholm.
Man könnte meinen, die Nobelpreise würden 123 Jahre nach ihrer ersten Vergabe langsam aus der Zeit fallen. Eine Auszeichnung für Wissenschaftler, Literaten und Friedensstifter, die auf ein Testament aus dem 19. Jahrhundert zurückgeht, aus einer Zeit vor den Weltkriegen, vor Internet und Smartphones? Wissenschaftliche Erkenntnisse werden heute teils auch von Politikern offen infrage gestellt, viele Menschen lesen heutzutage lieber kurze Social-Media-Posts als tiefgründige Hochliteratur, und um den Frieden, na ja, um den ist es derzeit weltweit betrachtet wahrlich nicht gut bestellt.
„Der Nobelpreis spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der heutigen Welt, indem er viele der Probleme anspricht, denen Gemeinschaften begegnen, etwa die Leugnung der Wissenschaft, Menschenrechtsverletzungen und Desinformation auf vielen Ebenen“, sagt die kommissarische Leiterin der Nobelstiftung, Anna Sjöström Douagi. Als Beispiele nennt sie den Friedensnobelpreis für die Journalisten Maria Ressa und Dmitri Muratow, die 2021 für ihren Kampf für Meinungsfreiheit und Wahrheit geehrt wurden, und den jüngsten Medizin-Nobelpreis für Katalin Karikó und Drew Weissman, deren Arbeit die rasend schnelle Impfstoffentwicklung in der Corona-Pandemie ermöglicht hatte.
Eine Kraft für das Gute in der Welt
„Der Preis ist somit eine Kraft für das Gute“, sagt Sjöström Douagi. Immer wieder unterstreiche er die Bedeutung von freier Wissenschaft, freier Meinungsäußerung, freien Gesellschaften und dem freien Austausch über Grenzen hinweg - alles Dinge, die die Welt dringend brauche.
Einmal jährlich richten die Nobelpreise ein Scheinwerferlicht auf die größten Errungenschaften der Menschheit, angefangen bei den Wissenschaftskategorien Medizin, Physik und Chemie über die Literatur und den Frieden bis hin zu den Wirtschaftswissenschaften. Dabei werden im Grunde Eigenschaften gefeiert, die die Menschheit ausmachen: Erfindertum, Kreativität und das Streben nach einem guten, friedlichen Zusammenleben. Los geht es an diesem Montag mit der Bekanntgabe des Medizin-Nobelpreises, ehe in den Folgetagen nach und nach die weiteren Preiskategorien dran sind.
Der Menschheit den größten Nutzen leisten
Die Nobelpreise gehen auf den Dynamit-Erfinder und Preisstifter Alfred Nobel (1833-1896) zurück. Er legte in seinem Testament fest, dass die Auszeichnungen an diejenigen gehen sollten, die der Menschheit im vergangenen Jahr den größten Nutzen gebracht hätten. Als Preiskategorien nannte er Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Frieden. 1901 - fünf Jahre nach seinem Tod - wurden die Auszeichnungen erstmals vergeben. Seit 1969 wird außerdem ein Preis für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Nobel verliehen, der von der schwedischen Zentralbank gestiftet worden ist.
Insgesamt sind nach Angaben der Nobelstiftung bis heute genau 1.000 Nobelpreisträger gekürt worden, darunter 358 Einzelpreisträger sowie 642, die sich die Auszeichnung in ihrer jeweiligen Kategorie zu zweit oder zu dritt teilten. Einige wenige wie die Physikerin und Chemikerin Marie Curie oder das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zählten sogar mehr als einmal zu diesen 1.000.
Was Nobel wohl von der heutigen Zeit denken würde? „Alfred Nobel lebte in einer Welt mit vielen Herausforderungen, sozialen und politischen sowie natürlichen wie Epidemien, Ressourcenmangel und so weiter“, sagt Sjöström Douagi. Nobel habe wie viele seiner Zeitgenossen daran geglaubt, dass Wissenschaft und Technologie diese Herausforderungen lindern könnten und Wissenschaft und Vernunft Hand in Hand mit Humanismus und friedlicher Entwicklung gingen.
Kernherausforderungen sind ganz ähnlich
„Obwohl sich die Welt in vielerlei Hinsicht verändert hat, bestehen diese Kernherausforderungen heute noch immer“, sagt Sjöström Douagi, die nach dem Wechsel von Stiftungsdirektor Vidar Helgesen zur Unesco geschäftsführend an der Spitze der Nobelstiftung steht, bis die neue Direktorin Hanna Stjärne Anfang 2025 ihr Amt aufnimmt. „Aber genauso zeitlos ist die Hoffnung, die uns unsere Fähigkeit bietet, den Kurs durch unseren Einsatz von Vernunft, Wissenschaft und humanistische Werte von Gewalt, Irrationalität und Leid wegzubewegen.“
Überreicht werden alle Nobelpreise traditionell an Nobels Todestag am 10. Dezember in Stockholm und Oslo. Dotiert sind sie in diesem Jahr mit elf Millionen schwedischen Kronen pro Preiskategorie - umgerechnet sind das derzeit knapp 970.000 Euro.
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