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„Sisi & ich“: Losgelöste Kaiserin

29.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:20 Uhr

Frei von der Enge des Historienfilm-Korsetts ist Sisi (Susanne Wolff, links) in Frauke Finsterwalders „Sisi und ich“. −Foto: Bernd Spauke, dpa

So hat man Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn noch nicht gesehen. Ganz losgelöst spaßt die Sisi – historisch korrekt mit einem „s“ – da im Bad mit ihrer Hofdame. Die beiden spielen mit Badeschaum, wirbeln ihn in die Luft und kichern dabei in ausgelassener Zweisamkeit. Irgendwann sind sie dann beide in der Wanne in der eleganten Sommerresidenz in Griechenland, weit, weit entfernt von Sisis Mann Kaiser Franz Joseph und den höfischen Zwängen in Wien.



So wie in dieser Szene wirft Regisseurin Frauke Finsterwalder („Finsterworld“) auch in ihrem gesamten Film „Sisi & ich“ einen ganz eigenen Blick auf den Mythos der Kaiserin, der zuletzt wieder verstärkt bemüht wurde. Allein zwei aktuelle TV-Serien aus den letzten zwei Jahren widmen sich der Sisi, zudem gab es Marie Kreutzers „Corsage“, für den Vicky Krieps mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde.

Wie letzterer ist aber auch „Sisi & ich“ ein Film, der sich von den alten Filmklischees , die durch die „Sissi-Filme“ mit Romy Schneider aus den 50er Jahren stark geprägt wurden, denkbar deutlich verabschiedet. In Finsterwalders Interpretation gibt es keine Nostalgie, keine romantische Verklärung, einen weitestgehenden Verzicht auf opulente Rüschenkleider. Und standen sonst in Filmen und Serien meist die Beziehung von Sisi und Franz Joseph und das höfische Leben im Vordergrund, so ist auch das bei „Sisi & ich“ anders.

Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Irma Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller). Von ihrer herrischen Mutter wird die unverheiratete Frau leicht fortgeschrittenen Alters in diesen höfischen Dienst geschoben. Kurze Zeit später landet sie schon bei der Kaiserin (Susanne Wolff), bereits Mitte 50 und in ihren letzten Lebensjahren, auf Korfu und in einem Kosmos, der nach ganz eigenen Regeln und Freiheiten funktioniert und überwiegend in Frauenhand ist.

Während sich die Frauen, im Machtgefälle nach Sisis Regeln und Vorstellungen zumindest, in dieser abgeschiedenen Situation bis in eine intime Freundschaft annähern, wird „Sisi & ich“ zur Bühne für zwei starke Schauspielpersönlichkeiten: Sandra Hüller und Susanne Wolff spielen hier intensiv miteinander und sich aneinander ab. Finsterwalder lässt sie als moderne Frauenfiguren auftreten, was sich auch bereits durch ihre schnörkellose Kleidung ausdrückt. Wolffs Sisi ist dabei eigenwillig, selbstbestimmt, querköpfig und will eigene Wege gehen, die über Korfu auch nach Algerien führen, wo sie mit Irma in der Wüste Haschisch probiert.

Regisseurin Finsterwalder bedient sich mit ihrem Drehbuchautor, ihrem Mann Christian Kracht, recht frei im Historienfundus. Immer wieder gibt es Verfremdungen in der ästhetisch bildstarken Inszenierung, Popsongs zwischen punkig und verträumt prägen die Atmosphäre. Die Enge des Historienfilm-Korsetts wird so gelockert und der Film bekommt eine Leichtigkeit – zumindest bis die beiden Frauen nach Wien zurückkehren und nach höfischem Protokoll leben müssen. An dieser Stelle ändert sich die gesamte Stimmung des Films und es rückt schließlich die unselige, distanzierte Beziehung zwischen Sisi und Franz Joseph in den Fokus.

Sascha Rettig


Deutschland/Schweiz/Österreich 2022, von Frauke Finsterwalder, 132 Min., frei ab 12 Jahren