Vorteile für Landwirte?
Schreiende Tomaten? – Studie weist Geräusche bei gestressten Pflanzen nach

30.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:15 Uhr

Tomaten sind alles andere als still, fanden Forscher der Universität Tel Aviv heraus. −Foto: dpa | Hendrik Schmidt

Besonders Menschen auf dem Land schätzen die Ruhe. Entspannt im Garten sitzen, dem Wind lauschen. Doch der ist nicht der einzige der Geräusche macht. Laut Forschern tun das nämlich auch Pflanzen, der Mensch hört es nur nicht.



Einer Studie zufolge machen gestresste Pflanzen einiges an Lärm – allerdings ist dieser für Menschen unhörbar. Wissenschaftler der Universität Tel Aviv berichten in der Zeitschrift „Cell“, dass die Geräusche etwa so laut seien wie ein normales Gespräch, aber deren Frequenz im Ultraschallbereich liege und somit nicht hörbar sei. „Die Geräusche im Ultraschallbereich könnten aus einer Entfernung von drei bis fünf Metern von vielen Säugetieren und Insekten wahrgenommen werden“, schließen die Forscher aus ihren Ergebnissen. 

Tomaten tönen beim Trockenstress



Pflanzen wie Tomaten oder Tabak, die unter Trockenstress leiden oder wenn man ihnen die Stängel abschneidet, produzieren laut Forscherteam ein Geräusch. Sie klingen demnach in etwa so, als wenn die kleinen Kapseln von Luftpolsterfolie zerdrückt werden.Ob die Vegetation solche Klänge produziert, um mit anderen Lebewesen zu kommunizieren, ist ungewiss. Andere Forschungsarbeiten belegten bereits, dass Pflanzen als Antwort auf Laute von Bestäubern zum Beispiel den Zuckergehalt in ihrem Nektar erhöhen.

Doch was heißt das, wenn ein ganzes Weizenfeld abgeerntet wird? Selbst Kulturpflanzen wie Mais oder Weizen erzeugen laut den Forschern unter Stress akustische Signale. „Daher ist es wahrscheinlich, dass auch bei der Ernte (in Form von Schneiden) Geräusche ausgestoßen werden“, sagt Lilach Hadany, Evolutionsbiologin an der Universität in Tel Aviv. Auch Kakteen, Wein und Taubnesseln würden Töne produzieren.

Ploppen Tomaten beim Abschneiden?



Einige Kleingärtner könnten schockiert sein, wenn sie hören, dass ihr gezogenes Gemüse beim Abschneiden anfängt zu Ploppen. Doch die Forscher sehen in ihrer Untersuchung auch einen möglichen Vorteil für die Landwirtschaft: Durch Tonaufnahmen könnten Landwirte beispielsweise die Bewässerung von Pflanzen im Freien oder im Gewächshaus überprüfen und effizienter gestalten.

Für ihre Studie untersuchten die Forscher Tomaten- und Tabakpflanzen in verschiedenen Situationen. In einem Experiment erhielten sie zu wenig Wasser, im anderen wurden ihnen die Stängel abgeschnitten. Zudem beobachteten sie unbeeinträchtigte Pflanzen als Vergleich. Die Wissenschaftler nahmen mit Mikrofonen Töne sowohl im schallgedämpften Raum als auch im Gewächshaus auf.

Entspannt sind Tomaten leise



Der Studie zufolge gaben gestresste Pflanzen auffällig deutlich mehr Geräusche ab als gesunde. Rund 30 bis 50 Töne pro Stunde gaben sie unter Stress von sich. „Wenn Tomaten überhaupt nicht gestresst sind, sind sie sehr leise“, sagte Hadany: Wie sich die Töne je nach Stressart unterscheiden, konnte das Team mithilfe eines Algorithmus erkennen.

Ursache liegt im Inneren



Die Ursache für dieses Phänomen liegt den Forschern zufolge vermutlich im Inneren von Pflanzen. Bei Pflanzen, die unter Trockenstress leiden, kommt es Untersuchungen zufolge häufig zur sogenannten Kavitation. Dabei bilden sich grob gesagt Luftblasen im Gefäßsystem, die sich ausdehnen und wieder zusammenfallen. Daraus resultieren Vibrationen.  Sibaji Kumar Sanyal, Molekularbiologe an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, bewertet die Studie der israelischen Forscher als gut. Man könne durch die Klänge schnell begreifen, wenn die Pflanzen zum Beispiel nicht angemessen gegossen wurden. Für weitere Forschungen sei es aber bedeutend, neben Tomaten und Tabak auch andere Gewächse zu untersuchen.

Hat der Mensch also ein falsches Bild von der Natur – wenn beispielsweise die heimischen Zimmerpflanzen mal wieder Wasser benötigen oder das Gemüse im Garten geerntet wird? Sibaji Sanyal findet: „Das ist eine interessante Vorstellung. Aber betrachtet man die Frequenz der Pflanzentöne, liegt sie ja im Ultraschallbereich. Deshalb sind sie für uns weiter still."

− dpa,kix,fk