Poetischer Animationsfilm
„Mavka – Hüterin des Waldes“: Ein ukrainisches Filmwunder mitten im Krieg

07.06.2023 | Stand 14.09.2023, 23:45 Uhr

Die Geschichte von Mavka, der Hüterin des Waldes, haben allein in Deutschland bereits vor dem offiziellen Kinostart über 100000 Ukrainer in der Originalversion gesehen. −Foto: Splendid Film

Im Januar geriet die ukrainische Dichterin Lessja Ukraijnka in die Schlagzeilen. Passanten legten an ihrem Moskauer Denkmal Blumen für die 45 Toten von Dnipro nieder, die bei einem russischen Angriff ums Leben kamen. Lessja Ukrainka, die 1913 mit nur 42 Jahren starb, hatte wenige Jahre zuvor das Drama „Das Waldlied – Ein Märchen in drei Aufzügen“ geschrieben. Darin geht es um die Waldfee Mavka, die sich in den Dorfjungen Lukash verliebt, weil er so schön Flöte spielen kann, obwohl sich Menschen und Feen eigentlich nicht begegnen dürfen.



In der Verfilmung durch die ukrainischen Animationskünstler Oleh Malamuzh und Oleksandra Ruban erfährt man, dass die Menschen den Waldbewohnern einst die Quelle des Lebens rauben wollten. Nach einem schrecklichen Krieg wurde den Irdischen dann der Zugang zum Märchenwald mit seinen Nymphen, Waldschraten und Feen verwehrt. Über das Abkommen sollte eigentlich der Hüter des Waldes wachen, doch der hat sich müde zur Ruhe gesetzt. Zur Nachfolgerin wird die junge Mavka bestimmt. In dieser Funktion müsste sie Lukash eigentlich sofort des Waldes verweisen. Doch Liebe folgt eigenen Regeln. Mavka und Lukash brechen damit aber einen alten Pakt und beschwören eine Katastrophe herauf, weil Kilina, die böse Sägewerkbesitzerin, eine ganz eigene Agenda verfolgt ...

Optisch erinnert der Film mitunter zwar an US-Vorbilder, wirkt aber in den Zeichnungen der Figuren weicher als die eher kantigen Dreamworks-Charaktere und nicht so fotorealistisch oder dreidimensional wie bei Pixar. Insbesondere Fantasiefiguren wie der Waldschrat und generell alle Naturwesen und Pflanzen sind schön und liebevoll animiert. Die Produktionszeit betrug sieben lange Jahre. Ukrainische Folklore-Elemente erkennt man nicht nur an den Kostümen, sondern auch an den Liedern. In der ukrainischen Originalfassung mit Untertiteln bekommt man für diese andere, leicht poetische Sprache durchaus ein Gespür.

Noch vor dem offiziellen Kinostart haben in Deutschland bereits 100000 Ukrainerinnen und Ukrainer mit ihren Kindern den Film in der Originalversion gesehen, in Frankreich über 500000, in Italien fast 200000. Dort kam der Film wie ein US-Blockbuster mit Hunderten von Kopien ins Kino. Damit ist mitten im Krieg plötzlich ein Animations-Erfolg aus der Ukraine aufgetaucht, der im eigenen Land trotz der russischen Dauerangriffe zu Besucherrekorden führte und „Mavka“ zum erfolgreichsten ukrainischen Film aller Zeiten machte.

Jörg Taszman


Ukraine 2023, von Oleksandra Ruban, Oleg Malamuzh, 99 Minuten, frei ab 6 Jahren