Alltagsmythen
Ist Gähnen wirklich ansteckend? Das sagen Forscher zu dem Phänomen

03.09.2024 | Stand 04.09.2024, 7:43 Uhr |
Jasmin Eiglmeier

Einer gähnt – alle gähnen mit. Oft kommt es uns vor, als wäre Gähnen ansteckend. Ist das ein Mythos oder stimmt es tatsächlich? − Symbolbild: picture alliance, dpa, Martin Gerten

Man sitzt mit Freunden zusammen, es wird spät, auf einmal beginnt einer zu gähnen. Und plötzlich steigen alle in die Runde mit ein – einer nach dem anderen beginnt, den Mund aufzureißen.



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Die gute Nachricht: Die Unterhaltung ist nicht langweilig geworden – Gähnen ist tatsächlich ansteckend. Und je näher man dem Gegenüber steht, desto schneller steigt man mit ein. Das konnten die Forscher Ivan Norscia und Elisabetta Palagi 2011 herausfinden. Denn Empathie beeinflusst, wie ansteckend gähnen ist. Den Wissenschaftlern zufolge gähnen wir am häufigsten mit Familienmitgliedern mit, es folgen Freunde und Bekannte. Am seltensten steigt man in das Gähnen von Fremden mit ein.

Schon Babys im Bauch gähnen



Das Phänomen beginnt schon früh: Bereits im Mutterleib – ab der elften Schwangerschaftswoche – können Föten gähnen. Säuglinge und Kleinkinder lassen sich vom Gähnen anderer allerdings nicht anstecken. Dies passiert erst ab einem Alter von vier bis fünf Jahren, wenn Kinder fähig sind, die Emotionen anderer richtig zu erkennen. Ähnlich geht es Autisten, die in ihrer Empathiefähigkeit eingeschränkt sein können.

Gründe für Gähnen bisher ungeklärt



Warum Menschen gähnen, das kann die Wissenschaft bisher noch nicht genau sagen. Die These, dass das Gehirn durch gähnen mit mehr Sauerstoff versorgt wird, konnte bisher nicht belegt werden. Der österreichische Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt nimmt an, dass die Schlafgewohnheiten einer Gruppe durch Gähnen aufeinander abgestimmt wurden, als man noch nicht miteinander sprechen konnte. Hier half die Ansteckung, dass alle gleichzeitig müde wurden und sich ausruhten. Denn seien zwar einige schläfrig, die anderen jedoch noch wach und würden weiterziehen, sei der Gruppenzusammenhalt gefährdet gewesen, so Eibl-Eibesfeldt.

Auch Tiere lassen sich anstecken



Gähnen können übrigens nicht nur Menschen, auch viele Wirbeltiere reißen hin und wieder das Maul weit auf. So lassen sich zum Beispiel Hunde oder Katzen vom Gähnen ihres Herrschens oder Frauchens anstecken. Bei Adeliepinguinen ist das Gähnen sogar Teil der Begrüßung.

Ein zwischenzeitliches Gähnen zeugt also keineswegs von Desinteresse oder Langeweile – stattdessen ist es ein Ausdruck von Mitgefühl mit dem Gegenüber und ist tatsächlich ansteckend. Und falls es schwer war, beim Lesen des Textes nicht zu gähnen, kein Problem. Laut den beiden Gähn-Forschern Norscia und Palagi reicht als Auslöser schon ein Gähn-Geräusch oder sogar nur darüber zu lesen.

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