Die islamistische Hamas hat im Gazastreifen vier weitere Geiseln an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben. Das war in einer Live-Übertragung des Nachrichtensenders Al-Dschasira zu sehen. Es handelt sich laut einer vorab veröffentlichten Liste um die Soldatinnen Liri Albag, Naama Levy, Karina Ariev und Daniella Gilboa. Für sie sollen weitere palästinensische Häftlinge freikommen.
Die Hamas hat am Samstag im Gazastreifen vier weitere israelische Geiseln an das Internationale Rote Kreuz übergeben. Die Soldatinnen wurden in ihrer Uniform auf einer Bühne auf einem zentralen Platz in der Stadt Gaza einer wartenden Menschenmenge vorgeführt und dann übergeben, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Hamas hatte die vier Frauen während ihres Großangriffs auf Israel am 7. Oktober 2023 gefangen genommen.
Laut Israel wird sich der am Sonntag geplante Abzug seiner Armee aus dem Südlibanon verzögern. Libanons Armee rücke nicht schnell genug nach, um eine Rückkehr der Hisbollah-Miliz zu verhindern.
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Vor diesem Hintergrund sprach sich die neue US-Regierung jetzt für eine Verlängerung der zunächst für 60 Tage vereinbarten Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah über die am Sonntag angesetzte Frist hinaus aus. Die Miliz warnte zuvor vor einer Verzögerung des Abzugs der Israelis. Das sei ein Bruch der Vereinbarung.
Derweil forderte Israel das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA erneut auf, seine Arbeit in Jerusalem zum Monatsende einzustellen. UNRWA sei „verpflichtet, seine Tätigkeit in Jerusalem einzustellen und alle Räumlichkeiten, in denen es in der Stadt tätig ist, bis spätestens 30. Januar 2025 zu räumen“, forderte der israelische UN-Botschafter Danny Danon in einem Brief an UN-Generalsekretär António Guterres. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Damit könnte es schwierig bis unmöglich für das Hilfswerk werden, die Zivilbevölkerung im verwüsteten Gaza oder im Westjordanland zu versorgen.
UN-Hilfswerk muss Jerusalem verlassen
Israel wirft dem UN-Palästinenserhilfswerk vor, dass einige seiner Mitarbeiter an Terroraktivitäten der Hamas beteiligt gewesen seien. Israel will humanitäre Hilfe für Gaza fortan mittels anderer Organisationen gewährleisten.
Die islamistische Hamas übermittelte Israel unterdessen eine Liste mit den Namen der heute freizulassenden Geiseln, wie das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bestätigte. Es handele sich um Soldatinnen, die seit mehr als 15 Monaten im Gazastreifen festgehalten werden. Im Austausch für die Geiseln sollen am selben Tag wahrscheinlich mehr als 100 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.
Berichte: Freizulassende Geiseln sind Späherinnen
Freikommen sollen nach gut 15 Monaten vier Soldatinnen, die von Islamisten während des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 verschleppt wurden: Es handelt sich laut einer vorab veröffentlichten Liste um die Soldatinnen Liri Albag, Naama Levy, Karina Ariev und Daniella Gilboa.
Verstörende Bodycam-Aufnahmen der Terroristen zeigten damals die verletzten, teilweise blutüberströmten jungen Frauen. Die Israelinnen, die im Grenzgebiet zum Gazastreifen Späherinnen der Armee waren, wirkten völlig verängstigt. Die Entführer schrien die gefesselten Frauen immer wieder an und bedrohten sie. Die schlimmsten Szenen schwerster Gewalt wurden dabei gar nicht veröffentlicht.
15 Späherinnen wurden israelischen Angaben zufolge bei dem Angriff getötet, sieben entführt. Eine der Frauen wurde nach 23 Tagen aus dem Gazastreifen gerettet, eine andere wurde in Gefangenschaft getötet. Ihre Leiche wurde von der Armee aus dem Gazastreifen geborgen. Eine weitere Frau, die nicht auf der Liste steht, bleibt vorerst weiter in der Gewalt der Hamas.
Liri Albag (19) sei zur Hausarbeit gezwungen worden
Die 19-jährige Liri Albag hatte Berichten zufolge gerade erst ihre Tätigkeit als Späherin begonnen, als Terroristen den Stützpunkt in Nahal Oz angriffen. Die im Sommer befreite Geiseln Noa Argamani berichtete laut israelischen Medien, sie und Albag seien zur Hausarbeit gezwungen worden. Demnach wurde die junge Soldatin in einem Tunnel festgehalten, bekam salziges Wasser zu trinken und nur wenig zu essen. Sie habe zudem erst einen Monat nach ihrer Entführung zum ersten Mal duschen dürfen.
„Sie ist nicht mehr dasselbe Mädchen“
Im Januar veröffentlichte die Hamas ein weiteres Video der Frau, die darin blass aussieht und um ihre Freilassung fleht. „Sie ist nicht mehr dasselbe Mädchen“, sagte ihre Mutter Shira danach israelischen Medien. Ihre einst selbstbewusste und furchtlose Tochter habe verängstigt ausgesehen.
Karina Ariev (20) rief am 7. Oktober 2023 ihre Familie an
Die Israelin Karina Ariev rief am Morgen des 7. Oktober 2023 israelischen Medien zufolge noch vom Stützpunkt aus ihre Angehörigen an. Die 20-Jährige sagte demnach, ihre Familie solle ihr Leben weiterleben. Sie habe zudem ihrer Schwester noch eine Nachricht geschickt und sie gebeten, auf ihre Eltern aufzupassen und stark zu sein, sollte die Soldatin den Hamas-Angriff nicht überleben.
Auf den grausamen Aufnahmen der Islamisten ist die junge Frau zu sehen, wie sie nur mit einem Schlafanzug bekleidet verschleppt wird. Ihre Eltern äußerten israelischen Medien zufolge die Angst davor, dass ihre Tochter in der Geiselhaft sexualisierte Gewalt erfahre und schwanger werden könnte.
Aufnahmen von Naama Levy (20) mit blutverschmierter Hose
Naama Levy ist eine weitere Späherin der militärischen Beobachtertruppe, deren Mitglieder vor dem Hamas-Terrorüberfall Vorgesetzte vergeblich vor verdächtigen Aktivitäten im Gazastreifen gewarnt hatten.
Die 20-Jährige ist auf den Aufnahmen vom Tag ihrer Entführung von einem Militärstützpunkt mit gefesselten Händen und blutverschmierter Hose zu sehen. Dies schürte Ängste, die Frauen könnten auch Opfer sexualisierter Gewalt geworden sein. Ihre Mutter teilte israelischen Medien mit, sie stelle sich ständig Momente nach der Rückkehr ihrer Tochter vor. Sie spreche in Gedanken mit ihr.
Die 20-Jährige war als Jugendliche ehrenamtlich bei einer israelisch-palästinensischen Friedensinitiative tätig. Ihren Entführern sagte sie: „Ich habe Freunde in Palästina.“ Genützt hat es ihr nichts.
Daniella Gilboa (20) war auf Aufnahmen zu sehen
Die ebenfalls vom Armeestützpunkt in Nahal Oz entführte Soldatin Daniella Gilboa ist auf den Aufnahmen der Entführung offenbar am Bein verletzt und humpelnd zu sehen. Sie war in mehreren von der Hamas verbreiteten Geisel-Videos zu sehen. Sie habe schreckliche Angst um ihr Leben, sagte die 20 Jahre alte Frau in einem davon. Ihrer Familie teilte sie darin mit, dass sie sie vermisse.
Im November 2024 teilte die Hamas mit, eine in den Gazastreifen entführte Israelin sei bei einem Angriff der israelischen Armee getötet worden. Sie verbreitete auch Aufnahmen, die unter anderem ein Tattoo der getöteten Geisel zeigen sollen. Damals gab es Berichte, es handle sich um Gilboa. Israel bestätigte diese Behauptung nicht.
Die junge Frau spielt laut israelischen Medien Klavier und träumt davon, Sängerin zu werden.
Geringfügige Verletzung der Waffenruhe-Vereinbarung
Laut der Waffenruhe-Vereinbarung hätte eigentlich eine noch lebende Zivilistin vor den Soldatinnen zur Freilassung bestimmt werden müssen. Die Frau werde von einer Gruppe des mit der Hamas verbündeten Palästinensischen Islamischen Dschihad gefangen gehalten und habe von der Hamas bislang nicht übernommen werden können, hieß es in Medienberichten. Israels Ministerpräsident Netanjahu habe aber entschieden, wegen dieser eher geringfügigen Verletzung der Waffenruhe-Vereinbarung die heute geplante Geiselfreilassung nicht scheitern zu lassen, berichtete die „Times of Israel“.
Rückkehr Vertriebener in den Norden Gazas soll anlaufen
Vergangenes Wochenende hatte die Hamas die erste Geisel-Liste verspätet überreicht und damit den Beginn der sechswöchigen Waffenruhe am Sonntag um Stunden verzögert. Damals kamen drei verschleppte israelische Zivilistinnen frei. Im Austausch entließ Israel 90 Palästinenser aus der Haft. Die Hamas verpflichtete sich laut Medienberichten, Israel heute Informationen über den Zustand der restlichen Geiseln zu liefern. Im Zuge der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens sollen insgesamt 33 Geiseln freikommen. Laut der israelischen Nachrichenseite „ynet“ dürften acht von ihnen nicht mehr leben.
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Israel wiederum soll laut dem Abkommen ab heute vertriebenen Palästinensern erlauben, zu Fuß aus dem Süden des abgeriegelten Küstenstreifens in ihre Wohnorte im zerstörten Norden zurückzukehren. Zwei US-Sicherheitsfirmen sowie eine dem ägyptischen Geheimdienst angegliederte Sicherheitsfirma sollen laut dem „Wall Street Journal“ die Rückkehrer dabei auf Waffen kontrollieren. Die Sicherheitsfirmen sollen dabei am Netzarim-Korridor kontrollieren, der den Gazastreifen südlich von Gaza-Stadt in zwei Hälften teilt.
Wird die Waffenruhe im Libanon verlängert?
Die USA hatten mit Katar und Ägypten monatelang zwischen Israel und Hamas vermittelt, bis schließlich der Durchbruch für die Waffenruhe gelang. Die USA gehören außerdem zu einer Gruppe von Ländern, die die Einhaltung der Ende November vereinbarten Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon überwachen soll. Demnach sollte Israels Armee eigentlich bis Sonntag abziehen. Die Hisbollah wiederum soll sich hinter den Litani-Fluss, etwa 30 Kilometer nördlich der Landesgrenze, zurückziehen. Libanons Armee soll die Einhaltung des Deals überwachen und eine Rückkehr der Miliz verhindern.
Kurze, vorübergehende Verlängerung der Waffenruhe sei „dringend erforderlich“
Der Libanon habe seinen Teil der Vereinbarung jedoch bisher nicht vollständig umgesetzt, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu mit. Das Abkommen sei so formuliert, dass eine Verlängerung für den Abzug der israelischen Armee möglich sei. Alle Parteien teilten das Ziel, sicherzustellen, dass die Hisbollah das libanesische Volk oder seine Nachbarn nicht weiter bedrohe, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses der Deutschen Presse-Agentur. Daher sei eine kurze, vorübergehende Verlängerung der Waffenruhe „dringend erforderlich.“ Das Weiße Haus arbeite mit den Partnern in der Region zusammen, um eine Verlängerung zu erreichen.
− dpa/afp
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