Das Internet scheint schuld
Prüde Republik Deutschland? Immer mehr Erwachsene haben Angst vorm Nackt-Sein

04.08.2021 | Stand 21.09.2023, 1:26 Uhr

Ausgerechnet im FKK-Geburtsland spaltet Nudismus die Gesellschaft. Ein Unwohlsein am Nacktsein scheint sich in Deutschland auszubreiten.. −Foto: dpa

Eine Umfrage ergab jüngst, dass sich eine Mehrheit der Erwachsenen an Nacktstränden unwohl fühlt oder sie meidet. Ausgerechnet im FKK-Geburtsland spaltet Nudismus die Gesellschaft. Schuld ist offenbar das Internet.

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"In jeder Welle hängt ein nackter Arsch" soll Romy Schneider nach einem Sylt-Besuch 1968 gesagt haben. Heute scheint die Freikörperkultur (FKK) weniger angesagt als damals. Oder besser formuliert: Sie spaltet. Viele lieben das Nackedei-Dasein, andere finden es abstoßend. Und auch die Corona-Pandemie zeitigt Folgen. Beim Strandbad Wannsee in Berlin heißt es zum Beispiel: "Aufgrund der aktuellen Bestimmungen können wir leider keinen FKK-Bereich anbieten." Der 70 Jahre alte Wannsee-Schlager ist also beim online gebuchten Termin so wahr wie selten zuvor: "Pack die Badehose ein..."



Der Medizinhistoriker Heiko Stoff vertritt die These, dass es am Druck sozialer Medien liegt. In den Selbstdarstellungen etwa bei Instagram dominiere eine Idealisierung des Körpers. "Die meisten Bilder werden nachbearbeitet. Am Strand können wir uns aber nicht nochmal durch den Filter ziehen." Das sei seines Erachtens der Hauptgrund, "warum es Unwohlsein in Sachen Nacktheit gibt". "Die Realität ihres Körpers macht vielen Menschen Angst und wird deshalb abgelehnt. Ich halte das für entscheidender, als dass es eine Reprüderisierung gibt oder religiöses Denken auf dem Vormarsch ist", sagte Stoff der Deutschen Presse-Agentur.

36 Prozent der Befragten fühlen sich an Nackt-Orten eher unwohl

Eine Yougov-Umfrage in Kooperation mit dem Portal Statista ergab im Juli, dass sich Erwachsene an Nackt-Orten wie etwa FKK-Stränden oder Saunen eher unwohl fühlen (36 Prozent) als wohl (28 Prozent). Der Rest meidet solche Orte grundsätzlich oder machte keine Angabe. Ostdeutsche geben häufiger als Westdeutsche an, sich an FKK-Orten wohl zu fühlen (36 gegen 26 Prozent).



Bei der Umfrage wurde auch nach "Glaubenszugehörigkeit" unterschieden, wobei Yougov warnt, dass die Stichprobe für manche Untergruppe nicht repräsentativ sei. Als Tendenz fühlten sich bei den Religionsgruppen Christlich-Orthodoxe und Muslime besonders unwohl an solchen Orten; bei Katholiken und Muslimen ist zudem der Anteil derer besonders hoch, die sagen: "Ich meide solche Orte grundsätzlich".



Schnell fühlt man sich als Versager, dem es nicht gelungen ist, den idealen Körper zu formen


Medizinhistoriker Stoff sagt, viele empfänden für sich persönlich einen Druck, sich dem angeblichen Ideal des straffen Körpers anzunähern. "Schnell fühlt man sich als Versagerin oder Versager, der oder dem es nicht gelungen ist, den idealen Körper zu formen. Das nimmt natürlich die Freude an der Nacktheit, schafft Stress und Konkurrenz." Eine Konkurrenz, die ansonsten die Kleidung zu überdecken helfe. Historisch eine Art Umkehrung des Denkens: Bei früheren Nudisten überwog die Idee, dass Kleidung Konkurrenz und Unterschiede schaffe und Nacktheit für mehr Gleichheit sorgen könne.

− dpa/ce