Prag
Der "Tom & Jerry"-Macher ist tot

23.04.2020 | Stand 23.04.2020, 14:38 Uhr

Mit 95 Jahren ist Animationsfilmer Gene Deitch gestorben. Der Liebe wegen ging er 1960 in die Tschechoslowakei, wo Kultserien wie "Tom & Jerry" und "Popeye" entstanden. Erinnerungen an einen Mann, der viele Trickfilmer inspirierte. −Foto: dpa

Gene Deitch ist gestorben. Am 16. April in Prag, wie jetzt bekannt wurde. Mit 95 Jahren. Er war Trickfilmer, Regisseur, Illustrator, Autor, Studioleiter und ein Glücksfall für die Geschichte der Animation. Denn er lebte seine Berufung und inspirierte durch seine Arbeit, durch Reden, Bücher und Artikel viele heute tätige Animationskünstler.

Er lebte ein selbstbestimmtes Leben in durchaus dramatischen Zeiten, gewann einen Oscar für den besten Trickkurzfilm und fand die Liebe seines Lebens ausgerechnet hinter dem Eisernen Vorhang. Dort animierte er unter anderem "Tom & Jerry" in Prag, brachte als erster eine "Hobbit"-Verfilmung zustande und zeigte, dass kapitalistische und kommunistische Blöcke sich keineswegs unverständlich gegenüber stehen mussten.

Eugene Merril Deitch wurde am 8. August 1924 in Chicago geboren. Sein Interesse an Trickfilm und Illustration zeichnete sich rasch ab, und über diverse Stationen landete er schließlich mit 22 Jahren bei UPA, einem Trickfilmstudio, das sich bewusst vom damals vorherrschenden Disney-Stil absetzen wollte.

Von John Hubley, einem der UPA-Gründer, erhielt der junge Deitch als Begrüßungsgeschenk Gyorgy Kepes" Buch "Language of Vision". Kepes war Bauhaus-Schüler, und seine Lehren wurden zur Grundlage des Schaffens von Deitch: "Alles, was man wissen musste über die Dynamik von grafischem Design, war darin zu finden!"

"Machs auf deine Art"

Deitch definierte Animation als das "Abfilmen von individuell erschaffenen Phasen einer imaginierten Aktion in der Art und Weise, dass die Illusion einer Bewegung entsteht, zeigt man sie in einer konstanten, vorher festgelegten Bildrate, um damit die menschliche Persistenz des Sehens zu überschreiten."

Diese technische Definition war nötig, um zu begreifen, welche künstlerischen Möglichkeiten sich hier boten, jenseits der etablierten Erwartungshaltungen der damaligen Öffentlichkeit und Studios. UPA nutzte sie, um einen neuen Stil zu kreieren, abstrakt, reduziert, grafisch orientiert in Richtung Illustration und Cartoons. Dies stieß die Tür auf zu einer grenzenlosen Welt, in der alles möglich war, was man zeichnen konnte. Diesem künstlerischen Credo blieb Deitch seine gesamte Karriere über treu und fasste es prägnant in seine eigenen Worte: "Don"t conform! Do it your way!"

1955 übernahm er die Leitung der Terrytoon Studios in New York und modernisierte erfolgreich die altbackene Firma mit seiner Philosophie, wurde nach drei Jahren gefeuert, gründete seine eigene Firma und flog, immer mehr konfrontiert mit dem Missverhältnis zwischen Budget und Anspruch, in die Tschechoslowakei auf der Suche nach kostengünstigeren Produktionsverhältnissen.

So lernte er seine Frau kennen

Der Trip war auf 10 Tage angelegt, er sollte sein ganzes Leben dauern. Denn er traf dort nicht nur talentierte und gleichgesinnte Trickfilmer, sondern unter ihnen auch seine spätere Frau Zdenka, für die er alle Zelte in den USA abbrach. Und gleich das erste Projekt des neuen Studios in Prag, "Munro", gewann den Oscar 1961.

Und von Prag aus arbeite Deitch dann als einer der ganz wenigen Amerikaner hinter dem Eisernen Vorhang an Serien wie "Tom & Jerry", "Popeye", "Krazy Kat", adaptierte aber auch Kinderbücher wie "Wo die wilden Kerle wohnen" oder "Die drei Räuber". Der Versuch, Tolkiens "Hobbit" erstmalig zu adaptieren, brach in der Finanzierungsphase zusammen, der etwa zehnminütige "Proof of Concept" kann weiter bei Youtube eingesehen werden.

Drei weitere Oscar-Nominierungen folgten, 2003 wurde Deitch zudem mit dem Windsor-McKay-Award ausgezeichnet für seinen Beitrag zur Kunst der Animation. Wo er auftrat, immer zusammen mit seiner Frau Zdenka, war er ein positiver und optimistischer Advokat in Sachen Trickfilm, der seine Zuhörer mitriss und denen er selbst immer aufgeschlossen zuhörte.

Der amerikanische Trickfilmhistoriker Jerry Beck drückte es so aus: "Für jeden, der seine Filme kannte, wird Gene Deitch ewig weiterleben - jeder, der ihn persönlich kannte, wird ihn vermissen."

− dpa