Politisches Kabarett
Wilfried Schmickler wird 70: „Bei den Themen Flüchtlinge und Gendern rappelt es“

23.11.2024 | Stand 23.11.2024, 5:00 Uhr |

Kabarettist Wilfried Schmickler sitzt beim Interview in einem Hängesessel. − Foto: Henning Kaiser, dpa

An dem denkwürdigen Abend, als die Ampelkoalition platzte, hatte Wilfried Schmickler gerade einen Auftritt im Sauerland. „In der Pause meinte dann jemand zu mir: „Haben Sie es schon gehört? Der Scholz hat den Lindner entlassen.“ Ich dachte, das darf nicht wahr sein, ausgerechnet jetzt.“ Er habe das dann nach der Pause kurz in sein Programm einfließen lassen – für seinen Auftritt am folgenden Abend allerdings noch ziemlich viel Arbeit mit dem Umschreiben gehabt. „Ich muss ja auf aktuelle Entwicklungen reagieren“, sagt der Kabarettist, der am 28. November 70 Jahre alt wird.

Wer den wortgewaltigen Mann mit seiner pointierten, mitunter rasend schnellen Sprache auf der Bühne erlebt, mag es kaum glauben, wenn er sagt, Spontanität liege ihm nicht. „Ich kann nicht improvisieren. Ich brauche einen Text vor mir.“ Entsprechend akribisch bereite er sich vor und recherchiere viel zu einem Thema, ehe er sich dann an seinen Schreibtisch setze und etwas aufschreibe. „Das fließt mir nicht aus den Händen, im Gegenteil. Ich bastle und feile, hadere bis zum Schluss und ändere immer wieder etwas ab.“

Schmickler, der in der quirligen Kölner Südstadt wohnt, ist politischer Kabarettist. Sein Publikum ist mit ihm gealtert, besteht ganz überwiegend aus Menschen „50 plus“. „Die haben den gleichen Hintergrund wie ich. Das ist ein Vorteil, weil wir die gleiche Sprache sprechen. Wenn da lauter 25-Jährige säßen, müsste ich erst mal erklären, was die DDR überhaupt war.“ Somit habe er nicht den Ehrgeiz, jüngere Fans zu gewinnen.

Er sei überzeugt davon, dass er sich durch seine Nicht-Präsenz in sozialen Medien vieles an Hetze und Bedrohungen erspare, meint Schmickler. Allerdings kämen auch per E-Mail regelmäßig böse Kommentare bei ihm an. „Vor allem bei den Themen Flüchtlinge und Gendern rappelt es.“ Angst habe er deswegen aber nicht. „Die Absender schreiben meistens anonym, die tun mir eher leid, weil sie so feige sind.“ Mit dem Kabarett aufhören will Schmickler vorläufig nicht. „Das ist eine Frage der Kraft.“ Und die reiche noch, auch wenn die teils weiten Autofahrten zu den Auftrittsorten zunehmend anstrengender für ihn würden.

Petra Albers

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