Erst kürzlich ist Bernhard Schlinks erstes Bühnenwerk „20. Juli. Ein Zeitstück“ uraufgeführt worden: auf Wunsch des Autors in Heidelberg, wo er 1963 sein Abitur machte. Das Stück von 2021, in dem es um unsere Verantwortung beim Erstarken rechter Parteien geht, scheint aktueller denn je. Dreh- und Angelpunkt ist das gescheiterte Hitler-Attentat vom 20. Juli vor 80 Jahren. Nur wenige Tage zuvor, am 6. Juli 1944, wurde Bernhard Schlink geboren. Diese zeitliche Nähe sei ihm immer sehr bewusst gewesen, sagt er.
Spätestens seit seinem Roman „Der Vorleser“ (1995) zählt Schlink zu den meistgelesenen deutschen Autoren. Dabei beweist der inzwischen emeritierte Juraprofessor, der seit Jahrzehnten zwischen seinen Wohnsitzen in New York und Berlin pendelt, stilistische Eleganz und Themenvielfalt.
In „20. Juli“, im „Vorleser“ wie auch dem Roman „Die Enkelin“ (2021) und seinen frühen „Selb“-Krimis spielt die NS-Zeit eine Rolle. Den deutschen Kolonialismus greift er im Roman „Olga“ (2018) auf, den RAF-Terror in „Das Wochenende“ (2008). Und immer wieder geht es um die Liebe in ihren vielen Facetten. Für sein Werk bekam Schlink zahlreiche Auszeichnungen. Im Herbst 2023 erschien sein elfter Roman „Das späte Leben“. Darin setzt sich Schlink mit Alter und Tod, aber auch mit Kirche und Glaube auseinander.
Geprägt hat ihn seine Kindheit im Pfarrhaus, zunächst in seiner Geburtsstadt Bielefeld, später in Heidelberg. „Wir haben jeden Morgen die Losungen der evangelischen Brüdergemeinde gelesen, der Sonntagmorgen begann mit einem Bachschen Choral, nach dem Abendessen wurde gemeinsam die Bibel gelesen“, schwärmt der Jüngste von vier Geschwistern. Bei der Hausmusik habe er die Querflöte gespielt. „Also all dieses Familienleben, das hat mir Spaß gemacht.“ Am stärksten prägte ihn seine Mutter, die Schweizer Theologin Irmgard Oswald. Sein Vater, der Theologieprofessor und Pastor Edmund Schlink, war im „Dritten Reich“ Mitglied der NS-kritischen Bekennenden Kirche. Nach dem Krieg baute er in Heidelberg das erste Ökumenische Institut an einer deutschen Uni auf.
Schlink selbst schlug einen anderen Berufsweg ein als seine Eltern: Jurist sei er geworden, weil ihn die Gerechtigkeit interessierte – „bis heute“. Von 1990 bis 2008 war er Professor an der Berliner Humboldt-Universität, von 1994 bis 2013 zudem in New York. Von 1987 bis 2006 war er Richter am NRW-Gerichtshof. Nach 1989 beriet er den Runden Tisch für eine Übergangsverfassung der DDR. Dass die frischen Reformideen damals nicht umgesetzt wurden, bedaure er noch immer, so Schlink.
Derweil darf sich Publikum offenbar auf viel neuen Lesestoff des Jubilars freuen, so der Diogenes-Verlag: „Bernhard Schlink schreibt und arbeitet stetig.“ Auch mit 80.
Sabine Kleyboldt
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