Oktoberfest feiern und verstehen
Passauer Wissenschaftlerin analysiert die Wiesn

28.10.2022 | Stand 19.09.2023, 4:24 Uhr |

Stephanie Großmann.

Nach der Pandemiepause 2020 und 2021 haben dieses Jahr wieder 5,7 Millionen Menschen das Münchner Oktoberfest besucht. Die promovierte Passauer Medienwissenschaftlerin Stephanie Großmann hat einen spannenden Band darüber veröffentlicht.

Frau Großmann, Sie waren dieses Jahr zum ersten Mal auf dem Oktoberfest. Wie war es denn?
Großmann: Ich dachte, nachdem ich das Buch über das Oktoberfest herausgegeben habe, gibt es keine Ausrede mehr. Ich fand es berührend, dass es immer noch Fahrgeschäfte gibt, wie man sie in Filmen der 20er Jahre sehen kann.

Die Beiträge analysieren Texte von Karl Valentin ebenso wie den Erotikfilm der 70er, die Fernsehserie "Oktoberfest 1900" und das Oktoberfest auf Twitter. Inwiefern findet sich eine Art gemeinsamer Nenner? Etwa, dass der "Preuße" dort nicht hingehört?
Großmann: Die untersuchten Texte erstrecken sich über mehr als 100 Jahre. Gemeinsam ist ihnen, dass das Oktoberfest ein Raum ist, in dem unvereinbare Dinge nebeneinander stehen dürfen, weil für eine bestimmte Zeit ganz andere Regeln herrschen als normalerweise. Was die Preußen betrifft: Die Serie "Oktoberfest 1900" handelt genau davon, wie es ein Preuße schafft, auf dem Oktoberfest erfolgreich zu sein – er hat keinen direkten Zugang und muss letztlich durch Heirat und Blutsbande integriert werden in diesen traditionell-archaischen Raum.

Sie sind seit 2015 Akademische Rätin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Uni Passau, haben über Inszenierungsanalyse von Opern promoviert und untersuchen im Oktoberfestband Literatur, Filme und Medientexte. Sind die Zeiten vorbei, da sich die Germanistik nur um Prosa, Lyrik und Drama gekümmert hat?
Großmann: Der Band behandelt gerade auch Oktoberfestlyrik, Oktoberfestkriminalroman und Dramentexte, die das Oktoberfest integrieren. Dass die anderen Medien berücksichtigt werden liegt auch daran, dass z.B. auch eine Musikwissenschaftlerin und eine Computerlinguistin und Filmwissenschaftler mitgearbeitet haben. Aber es stimmt, dass die Germanistik heute über schriftliche Texte hinausgeht und auch andere mediale Produkte bearbeitet. Die Semiotik als Lehre von Zeichenprozessen bietet dafür eine hervorragende Grundlage.

− rmr

Stephanie Großmann (Hg.): O’zapft is! Das Münchner Oktoberfest aus literatur-, kultur- und mediensemiotischer Perspektive. Schüren, 304 Seiten, 34 Euro

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