Er schuf Hulk, Spider-Man und Iron-Man
Marvel-Superhelden wie du und ich: Stan Lee wäre 100

Mit Marvel veränderte er für immer die Comic-Kultur: Vor 100 Jahren kam Comicautor Stan Lee zur Welt

28.12.2022 | Stand 17.09.2023, 6:45 Uhr

Stan Lee, Comic-Autor aus den USA, lächelt in seinem Büro vor einer Spider-Man-Figur. Am 28. Dezember 2022 wäre er 100 Jahre alt geworden. −Foto: Reed Saxon/AP/dpa

Spider-Man, Hulk, Iron-Man – Stan Lee schuf Superhelden mit Selbstzweifeln und privaten Problemen, die in Comic und Kino eine gigantische Karriere machten. Vor 100 Jahren wurde er als Sohn jüdischer Einwanderer aus Rumänien geboren.



Stan Lee (1922-2018) hat die Geschichte seines eigenen Erfolges im Laufe seines Lebens so oft erzählt, dass sie selbst zu einer Art Superhelden-Story geworden ist: 1961 erhielt er von Martin Goodman, Inhaber des maroden Verlags Marvel Comics, den Auftrag, eine Idee des Rivalen DC Comics zu klauen: DC hatte seine beliebtesten Charaktere zu einem Team zusammengeschlossen, der „Justice League of America“. Stan Lee zerbrach sich tagelang den Kopf, bis er vier Figuren erfunden hatte, von denen er fand, dass sie als Team funktionieren würden. Er nannte sie „Fantastic Four“, die fantastischen Vier.

Das Comic-Heft, das er gemeinsam mit dem Zeichner Jack Kirby entwickelte, war ganz anders als die „Justice League“ der Konkurrenz. Die vier Helden verhielten sich nicht sehr heldenhaft, sie stritten sich und hatten die Dynamik einer dysfunktionalen Familie. Diesen Ansatz – Superhelden mit menschlichen Schwächen – machte Lee zur erfolgreichen Marvel-Formel. Damit veränderte er das Comicgeschäft für immer.

Mit Steve Ditko erschuf er Spider-Man, einen Superhelden, der in Wirklichkeit ein unsicherer Oberschüler ist und sich ohne Maske mit Noten, Liebeskummer und Familienstress herumschlägt. Es folgten der Hulk, ein Wissenschaftler mit Wutproblem, außerdem Thor, ein behinderter Arzt, der zum Gott des Donners wird, sowie Iron Man, ein Millionär mit Todesangst, und schließlich Dr. Strange – ein arroganter Chirurg, der magische Kräfte bekommt. Auch die „X-Men“, von der Gesellschaft angefeindete Mutanten, hat Lee mit erschaffen. Vor 100 Jahren, am 28. Dezember 1922, wurde er in New York geboren.

Wollte ursprünglich Romane schreiben



Der Sohn jüdischer Immigranten aus Rumänien – sein Geburtsname war Stanley Lieber – wollte ursprünglich Romane schreiben. 1939 begann er als Hilfskraft bei Timely, der Comic- und Groschenheft-Abteilung, die später Marvel werden sollte. Als Autorennamen nahm er Stan Lee an – angeblich, um seinen realen Namen für Größeres aufzusparen. Lee schrieb für Comics wie „Captain America“ und wurde mit 19 Jahren Chefredakteur von Timely. Von dieser Position aus musste er zunächst dem Niedergang des Comic-Hefts an den Zeitungsständen der USA zusehen, bevor seine Ideen den Markt in den 60er Jahren wiederbelebten.

Lee blieb Chefredakteur, bis er 1972 selbst zum Verleger aufstieg. In dieser Zeit etablierte er sich auch als Sprachrohr des Verlags. „Bullpen Bulletins“ wurden die Seiten der Hefte genannt, in denen er auf die Briefe der Leser antwortete und Anekdoten aus der Redaktion erzählte. Sich selbst inszenierte er als irrwitzigen Zirkusdirektor. In seiner Kolumne etablierte er geflügelte Worte wie „Nuff said (etwa: „Genuch gesagt“) und seinen Schlachtruf „Excelsior!“. Sich selbst verlieh er den Spitznamen Stan The Man Lee.

Mehrere Gerichtsverfahren mit seinen Künstlern



Ab 1980 zog Lee, immer schon Autor und Verkäufer, nach Hollywood. Er hatte die Hoffnung, die Marvel-Charaktere in anderen Medien zu vermarkten – was ihm mit Ausnahme einer „Hulk -Serie nicht gelang. Erst in den späten 90er Jahren begann das Superhelden-Kino zu boomen. Zunächst mit den „X-Men“-Filmen ab 1999, dann mit „Spider-Man“ (2002) und seinen Fortsetzungen. Nach Marvel Studios’ „Iron Man“ (2008) wurden die Filme des Marvel Cinematic Universe schließlich zur dominanten Popkultur-Marke der 2010er Jahre.

Lee war zu diesem Zeitpunkt längst in die Rolle des Ehrenvorsitzenden aufgestiegen. Seine kleinen Auftritte in jedem Film, der auf einem Marvel Comic basiert, zementierten seine neue Rolle als eine Art Maskottchen des Verlags, der seit 2009 zu Disney gehört. Sie unterstrichen auch seinen Ruf als genialer Onkel mit getönter Brille und Schalk im Nacken, den er bereits in den 60ern etabliert hatte. Die grauen bis weißen Haare trug er stets streng nach hinten gekämmt.

Stan Lee konnte den Erfolg seiner Schöpfung bis zum Schluss genießen - auch wenn er mehrere Gerichtsverfahren mit seinen Künstlern über die Rechte an den gemeinsam geschaffenen Charakteren führte. Stan Lee starb am 12. November 2018 im Alter von 95 Jahren, knapp anderthalb Jahre nach seiner Frau Joan, mit der er 69 Jahre verheiratet gewesen war.

Alexander Matzkeit