Nach 13-jähriger Haft
Jamaikanischer Dancehall-Star Vybz Kartel wurde aus dem Gefängnis entlassen

01.08.2024 | Stand 01.08.2024, 18:32 Uhr |

Vermummt und an der Seite seiner Frau verließ Adidja Azim Palmer alias Vybz Kartel am Mittwochabend das Gefängnis in Jamaikas Hauptstadt Kingston. − Screenshot: Schneider

Der „World Boss“ ist auf freiem Fuß. Seit 2011 saß Vybz Kartel wegen eines Mordes im Gefängnis. Eine Beteiligung bestritten er und seine Mitangeklagten stets. Nach einer historischen Entscheidung eines britischen Gerichts ist er nun aus der Haft entlassen worden. 

Nach fast 13 Jahren hinter Gittern ist der Jamaikanische Dancehall-Künstler Adidja Azim Palmer, besser bekannt als Vybz Kartel, wieder auf freiem Fuß. Der Entlassung nur einen Tag vor dem „Emancipation Day“, dem Tag, an dem viele ehemalige europäische Kolonien das Ende der Sklaverei feiern, ging ein jahrelanger Rechtsstreit voraus. 

 

Massenauflauf vor Gefängnis



Polizei und schwer bewaffnete Soldaten hatten das Gebiet um die „Tower Street Adult Correctional Center“ in der Innenstadt von Jamaikas Hauptstadt Kingston am Mittwoch abgesperrt. Dennoch durchbrachen die Anhänger und Fans des auch als „World Boss“ bekannten Sängers teilweise Barrieren und skandierten „Free World Boss“, während sie auf die Freilassung ihres Idols warteten. Im Arm seiner Frau und vermummt verließ der sichtlich durch Krankheit geschwächte Kartel schließlich am Mittwoch gegen 18 Uhr Ortszeit das Gefängnis. In einem kurzen Statement richtete er sich an die vielen jungen Menschen vor Ort und empfahl ihnen, sich aus Schwierigkeiten herauszuhalten. 

Vybz Kartel hatte in der Vergangenheit oft mit internationalen Superstars wie Rihanna, Busta Rhymes oder Nicki Minaj zusammengearbeitet. Zusammen mit dem deutschen Rapper Bones MC und der Gruppe KitschKrieg schaffte er es zudem mit dem Song „International Criminal“ bereits in die Top-10 der deutschen Charts. Als großer Fan des Jamaikaners gilt zudem der kanadische Rapper Drake, der die Freilassung Kartels ebenfalls auf Instagram feierte. 

 

Verurteilung vor 13 Jahren



Der Künstler wurde im Jahr 2011 gemeinsam mit drei Mitangeklagten wegen Mordes an Clive „Lizard“ Williams – dessen Leiche nie gefunden wurde – zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt. Später wurde die Strafe auf 32 Jahre herabgesetzt, weil schon damals Ungereimtheiten im Prozess ans Tageslicht gekommen waren. Palmer und seine Mitangeklagten betonten stets, unschuldig zu sein und nannte sich selbst politische Gefangene. 

Im März diesen Jahres hatte das Londoner Privy Council, das höchste Berufungsgericht für viele Commonwealth-Staaten, schließlich entschieden, dass das Urteil aufgehoben werden soll. Als Hauptgründe nannte das Londoner Gericht erhebliche Zweifel an der Echtheit von Telefon-Beweisen, die im Prozess vorgelegt worden waren, sowie einen bereits während des Prozesses öffentlich gewordenen Bestechungsversuch eines Geschworenen. Der Geschworene wurde nicht ausgetauscht und durfte weiter am Urteil mitarbeiten. Deshalb habe es sich nicht mehr um ein faires Verfahren gehandelt, urteilte das Londoner Gericht und gab den Fall zurück an das jamaikanische Berufungsgericht. 

 

„Im Interesse der Gerechtigkeit“



Dies entschied sich nun gegen eine Wiederaufnahme des Prozesses und für die Entlassung der vier Angeklagten. Es sei „im Interesse der Gerechtigkeit“, kein neues Verfahren anzuordnen, hieß es vom Gericht. Zudem gebe es Anzeichen dafür, dass Kartel wegen seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage wäre, eine neuerlich verhängte, lange Haftstrafe anzutreten. 

Kartels Verteidigung wies auf die unmenschlichen Haftbedingungen hin, in denen sich der Künstler seit 2011 befand. Er sei in einer „gemauerten Zelle ohne Luftzirkulation, ohne Wasser und mit einem Eimer als Toilette“ festgehalten worden. Zudem leide er an Morbus Basedow und einer Herzkrankheit, die durch die Haftbedingungen verschlimmert worden sei und dringend operiert werden müsse. 

Ein Video, das Kartel selbst auf Instagram veröffentlicht hatte, zeigte ihn bei der Heimfahrt vom Gefängnis mit geschwollenem Hals und Gesicht sowie stark eingeschränkter Beweglichkeit:

 

Mögliche Auswirkungen auf jamaikanisches Justizsystem



Die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Fall nicht wieder aufzunehmen, könnte laut Experten erhebliche Auswirkungen auf das jamaikanische Justizsystem nach sich ziehen. Es unterstreicht „die Bedeutung eines fairen Gerichtsverfahrens und die Auswirkungen von Fehlverhalten von Geschworenen auf die Integrität des Gerichtsverfahrens“, hieß es. Der Fall zeige zudem auf, wie schwer es der Justiz des Inselstaates zuweilen fällt, einen fairen Prozess sicherzustellen. Insbesondere wenn, wie in diesem Fall, ein großes öffentliches Interesse am Prozess vorliegt. 

 

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