Bilderbücher für Erwachsene
Großmeister des Kuriosen: Walter Moers präsentiert den exzentrischen Zeichner Edward Gorey

05.12.2024 | Stand 05.12.2024, 19:00 Uhr |
Christoph Haas

Walter Moers hat eine perfekte Auswahl aus dem Werk Edward Goreys zusammengestellt. − F.: Aufbau

Edward Gorey war ein „man out of time“. Man hätte ihn, der gerne lange Pelzmäntel sowie auffällige Ringe und Halsketten trug, für einen englischen Dandy aus der Zeit Queen Victorias halten können. Geboren 1925 und 2000 gestorben, war er aber ein Amerikaner, der lange in New York lebte und seinen Lebensunterhalt als Illustrator bestritt, bevor er 1953 begann, Bilderbücher für Erwachsene zu veröffentlichen. Nun hat Walter Moers, bekannt für seinen Comic „Das kleine Arschloch“ und für Fantasyromane wie „Die Stadt der Träumenden Bücher“, eine perfekte Auswahl aus dem mehr als 100 Titel umfassenden Werk Goreys zusammengestellt.

Alles, was Gorey geschrieben und gezeichnet hat, spielt in der Vergangenheit, im 19. oder frühen 20. Jahrhundert. „Eine Harfe ohne Saiten“ erzählt von dem Sonderling Mr. Earbrass und dessen Schwierigkeiten, einen Roman gleichen Titels zu Papier zu bringen. In „Der fragwürdige Gast“ nistet sich ein stummes Wesen, das einen langen gestreiften Schal trägt und wie eine Kreuzung aus Pinguin und Dachs aussieht, bei einer Familie ein, die in einem alten Schloss wohnt. Oft setzt Gorey unter seine Bilder gereimte Zweizeiler; „Der Westflügel“ allerdings kommt ganz ohne Text aus: In feiner, schwarz-weißer Schraffurtechnik sind hier, wiederum wohl in einem Schloss, unterschiedliche Räume zu sehen. Mal sind sie völlig leer, mal befinden sich in ihnen einzelne, gespenstisch wirkende Menschen, mal stehen oder fliegen Gegenstände umher.

Gorey war von dem Nonsens-Lyriker Edward Lear beeinflusst, von Lewis Carroll, dem Autor von „Alice im Wunderland“, vielleicht auch vom Symbolismus und Surrealismus. Aber er hat ein ganz eigenes Universum erschaffen, das zugleich grafisch und literarisch ist, zugleich beklemmend wie eine Gothic Novel und absurd-komisch wie ein Monty-Python-Sketch. Der Untertitel dieses Buches trifft es sehr gut: Gorey ist der unbestrittene „Großmeister des Kuriosen“.

Christoph Haas


Edward Gorey: „Großmeister des Kuriosen. Vorgestellt von Walter Moers“, Aufbau Verlag: Die Andere Bibliothek, 432 Seiten, 68 Euro

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