Es ist wie mit den Hütchenspielern auf der Brücke: Da war eben noch ein Song, dann – schwups - ein Musical. Zwei schnelle Bewegungen später: Ein Film. Bei all dem steigt der Kontostand von ein paar Schweden, die einfach alles richtig gemacht haben vor nunmehr 50 Jahren.
Das Musical „Mamma Mia”, bestehend aus viel Sonne, einer kruden Handlung und den Abba-Hits, hat noch vor dem kassensprengenden Kinofilm die Ohrwürmer der Popgruppe paritätisch über die Welt verteilt. Dafür wurden Übersetzungen der Songs auch auf Polnisch, Koreanisch oder Spanisch lizensiert, was sich ziemlich lustig anhört.
Nachdem es also in Deutschland einige Zeit „Mamma mia, jetzt geht das schon wieder los!“ und „Danke für die Lieder” hieß, erklang nun am Deutschen Theater in München wieder „Thank You for the Music”. Die Welt ist polyglott geworden. So kann man die offenbar einst als überkomplex bewerteten Songtexte dem Publikum nun wieder im Original zumuten. Weil die englischsprechende Besetzung der derzeit in München gastierenden „International Tour“ auch die Dialoge in dieser Sprache spricht, gibt es Übertitel. Die Vorstellung wirkt so viel authentischer und aus einem Guss.
Der Musik danken will man allerdings nach der Premiere nicht so recht, den die war brüllend laut und streckenweise auch nicht wirklich gut gesungen. Nun hat das Karaokebar-Feeling durchaus Charme, wenn im Film Schauspieler wie Pierce Brosnan die Songs voller Herzblut schmettern. Auf der Musicalbühne hätte man sich mehr popgesangliche Qualität erhoffen dürfen.
Warum die Tontechnik gelegentlich die Begleitstimme lauter erklingen ließ als die erste, gegen Ende der Songs die Lautstärke hochregelte und überhaupt auf Schwerhörige getrimmt schien, ist eine Frage, die sich bei der Premiere stellte. Auf dem Monitor war zu sehen, wie der musikalische Direktor Carlton Edwards, tapfer mit beiden Händen das Keyboard bearbeitend, mit dem Kopf einen Viervierteltakt vorgab. Vielleicht gab es also auch noch musikalische Abstimmungsprobleme, die sich bei Folgevorstellungen beheben lassen.
Aber es sind auch musikalische Glanzlichter zu vermelden, wobei interessanterweise bei der Premiere nicht die Erstbesetzung auftrat: Die charmant mütterliche Nicky Swift, die sonst die beste Freundin Rosie singt, hatte die Hauptrolle der Donna übernommen. Für ihre Rolle rückte aus dem Ensemble die ebenfalls voll überzeugende Nicola Bryan nach. Solche Rochaden sind beim Musical üblich. Zusammen mit dem dritten „Dynamos-Girl”, Sarah Earnshaw als selbstbewusste Tanya, hatten die Ladys offenbar riesigen Spaß. Sie legten die Latte stimmlich, darstellerisch und komödiantisch hoch. Zu sehen, wie sie die Hüften schwangen und sich partout nicht aufs Altenteil versetzen lassen wollten, machte Riesenspaß.
Neben diesen drei Powerfrauen jenseits der vierzig sahen die Jungen, aber auch die drei potenziellen Väter der Braut, die der Komödienhandlung ihren Kitzel zu verleihen haben, blass aus.
Die flotte Regie, wohlbekannte Songs, perfektes Timing und fröhlichgrelle Unlogik brachten dennoch eine gute Show über die Rampe. Punktgenaue Choreografie, üppige Besetzung und das hochmotiviert agierende Ensemble honorierte das Premierenpublikum mit den üblichen Standing Ovations.
Wer danach die Ohrwürmer nicht losbekam und bei den Streamingdiensten die Originalsongs anklickte, ließ die Kassen in Stockholm klingeln.
So kuriert man die Spätfolgen dieses nostalgischen Grußes aus dem vergangenen Jahrhundert, als offenbar alleinerziehende Mütter noch Tavernen erbauen konnten und englische Banker auf abgelegene griechische Inseln jetteten und das Glück fanden. Die Welt schien damals noch ein bisschen mehr in Ordnung als heutzutage. Zumindest rückblickend.
Sabine Busch-Frank
Weitere Vorstellungen bis 24.11.; Karten: deutsches-theater.de
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