Proteste vor der Olympiahalle
Gefeiert und unerwünscht zugleich: Roger Waters in München

22.05.2023 | Stand 22.05.2023, 13:47 Uhr

Bestenfalls fragwürdig sind viele seiner Aussagen − die Qualität seiner Musik ist unbestritten: Roger Waters. −Foto: Stefan M. Prager

Dass sich die Verantwortlichen eines Veranstaltungsortes von einem dort auftretenden Künstler distanzieren, ist eher selten. In diesem speziellen und ausgiebig diskutierten Fall hat sich die Münchner Olympiapark GmbH entschlossen, vor dem Konzert von Roger Waters israelische, ukrainische und regenbogenfarbene Fahnen als Zeichen der Ablehnung zu hissen. Innen wird auf Bildschirmen eingeblendet, dass man mit Waters politischen Ansichten nicht übereinstimmt.

Das tut auch das Bündnis „München ist bunt“ nicht, die mit einer kleinen Bühne präsent sind. Und schon gar nicht Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, die dort dem ehemaligen Pink Floyd-Mastermind Antisemitismus vorwirft. Ein Vorwurf, der schon länger im Raum steht, allerdings nie strafrechtlich geklärt wurde. Und den der bald 80-Jährige mit gigantischen Lettern auf den riesigen Videoleinwänden in Kreuzform vor der Show von sich weist. Dennoch sind viele Aussagen des Musikers, der in den 60ern die Progressive Rock-Band Pink Floyd mitgegründet hat, bestenfalls fragwürdig. Die Qualität seiner Musik steht als eigenes Kapitel für sich.

Nachdem sich das Leinwandkonstrukt über der ebenso kreuzförmigen Bühne in der Mitte der Halle gehoben hat, geht es los mit Klassikern vom 1979er Meisterwerk „The Wall“. Die Songs könnten Waters und seine Musiker für sich sprechen lassen, tun sie aber nicht. Geradezu jeder Ton wird visuell auf dem Video-Kreuz begleitet. Die plakativen Animationen und Realszenen sind beeindruckend, aber fast schon zu viel des Guten. Wenn zur aktuellen Solo-Nummer „The Powers That Be“ Bilder von Polizei- und Militärgewalt in HD über die Leinwände flimmern, ist das ganz schön fordernd. Ebenso wie die vielen Texte, die in ihrer Größe beinahe erschlagen. „Widerstand“, „Gleiche Rechte“, „Fuck den Kapitalismus“ und manches mehr wird dem Publikum entgegengeschleudert.

Wenigstens verschieben brillante Nummern wie „Wish You Were Here“ von Pink Floyd mit dem markanten Akustikgitarrenpart zumindest kurzfristig den Fokus auf die Musik. Die großartige Klangqualität dank der vielen mittig verteilten Lautsprecher vermittelt dann doch den Eindruck eines „echten“ Konzertes und nicht einer Polit-Veranstaltung. Vor allem das epische ausgebreitete „Us And Them“ vom 1973er-Album „The Dark Side Of The Moon“ kommt wunderbar und erhaben. Der anschließende Applaus freut den scheinbar gut gelaunten und gelösten Waters sichtlich. Überhaupt ist der Brite gut drauf, viel in Bewegung auf den Laufstegen und tänzelt sogar gelegentlich. Wenn er nicht gerade im Ledermantel mit Armbinde mit den beiden gekreuzten Klauenhämmern aus der Verfilmung von „The Wall" provokant mit einer Maschinenpistolenattrappe in die Luft feuert.

Auch ein Palästinensertuch trägt er im Verlauf des Abends garantiert nicht unbeabsichtigt. Ja Waters provoziert, polemisiert und politisiert viel, um nicht zu sagen zu viel. Wenn auch am Ende weniger die Bilder als die Klänge von Pink Floyd-Klassikern wie „Money“ und „Another Brick In The Wall“ nachhallen. Ein Pop- und Politspektakel der besonderen Art, das sicher noch viele Diskussionen nach sich ziehen wird.

Martin Buchenberger