Am 20. Juli 1944 ist es 80 Jahre her, dass der Umsturzversuch einer Gruppe deutscher Widerstandskämpfer scheiterte. Das Attentat auf Hitler misslang – und die Mitglieder der „Weißen Rose“ wurden ohne Prozess hingerichtet. Dieser Tag steht symbolhaft für viele Versuche, sich gegen den „Führer“ zu stellen, obwohl sich viele zivile und militärische Gruppierungen im Kampf gegen das nationalsozialistische Regime und seine menschenverachtende Ideologie engagierten. Doch die Erinnerungskultur wird noch immer – mit Ausnahme der Sophie Scholl – von Männernamen dominiert.
Dabei gab es unzählige Frauen jeden Alters, unterschiedlichster sozialer Herkunft, Bildung und politischer Haltung, die Widerstand im Alltag leisteten. Ihre Aktionen waren so unterschiedlich wie ihre Motive. Alle jedoch trafen bewusst eine mutige Entscheidung für Mitmenschlichkeit in einem Klima von persönlicher Gefährdung, drohender Gewalt und möglicher Denunziation. Und sehr viele mussten ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen, einige davon im KZ Dachau oder anderen Konzentrationslagern.
An die hundert Frauen-Schicksale recherchierte Kuratorin Rieke C. Harmsen für das Projekt „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“, zu viele, um sie alle in einer Ausstellung zu präsentieren. So wählte das Team für die Ausstellung in den Nebenräumen der evangelischen Versöhnungskirche auf dem Areal des KZ Dachau 18 mutige Frauen aus, die für Zivilcourage stehen.
Die Reihe umfasst auch eine Zeitgenossin: die Berlinerin Irmela Mensah-Schramm, Jahrgang 1945, die seit 40 Jahren unermüdlich Nazi-Parolen von Masten und Stromkästen kratzt – und für ihren aktiven Widerstand gegen Rechts nicht nur geachtet, sondern auch heftig angefeindet wird.
Alle 18 Biografien sind auf individuell gestalteten, mit Fotografien und Zitaten versehenen Plakaten dokumentiert; man kann auch per QR Code weitere Details zu den einzelnen Schicksalen erhalten. Dadurch reduziert sich der Platzanspruch auf etwa 30 bis 40 Quadratmeter, je nachdem, wie groß die jeweiligen Räumlichkeiten für diese Wanderausstellung.
Der weibliche Widerstand hatte viele Gesichter. Die pazifistisch in der Sufi-Religion beheimatetet Inayat Khan Noor-un-Nisa etwa ließ sich in England zur Funkerin ausbilden und wurde als Spionin eingesetzt, bis sie nach dem Verrat einer Kollegin nach Dachau deportiert und dort ermordet wurde. Die 17-jährige Fotolaborantin Maria Seidenberger aus der Dachauer Umgebung schmuggelte Fotos und Dokumente von KZ-Insassen aus dem Lager, entwickelte und versteckte diese, um alles den Familien zu übergeben.
Manche versteckten Juden in ihren Wohnungen, wie Elisabeth Abegg, die mit dem Leben davonkam. Cato B. Beek versorgte heimlich Zwangsarbeiter mit Zigaretten und Seife. Andere vervielfältigten unzensierte Informationen oder verteilten Flugblätter der Hamburger Zelle der „Weißen Rose“, darunter Margaretha Rothe. Sie musste sterben, anders als die Niederländerin Maria Vaders, welche das KZ Ravensbrück überlebte. Hilde Berger tippte unter Todesangst als Sekretärin des gleichnamigen Rüstungsbetriebs „Schindlers Liste“ ab. Freya von Moltke aus dem „Kreisauer Kreis“gründete später eine internationale Jugendbegegnungsstätte auf polnischem Boden und Lucie Strewe initiierte eine antirassistische Stiftung. Lina Haag rettete ihren Mann, indem sie sich todesmutig bis zu Heinrich Himmler vorwagte.
Kreszentia Hummel fehlt – jene einfache Frau aus bäuerlichen Verhältnissen, die Charlotte Knobloch das Leben rettete, indem sie ab 1942 die Neunjährige auf dem elterlichen Bauernhof versteckte. An sie erinnerte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern bei der Eröffnung mit bewegenden Worten – und einem Appell „wider das Vergessen in Zeiten, wo Vergessen zum Prinzip erhoben wird“.
Barbara Reitter
Bis 30. September in der Versöhnungskirche der KZ-Gedenkstätte Dachau, Alte Römerstraße 75, täglich 9-17 Uhr, kann als Wanderausstellung gebucht werden auf ausstellung-leihen.de
Artikel kommentieren