Passau
Fest des Feuers zu Rammstein-Musik: 2400 Fans feiern mit der Band Stahlzeit

01.11.2022 | Stand 19.09.2023, 4:25 Uhr

Heli Reißenweber mit verblüffender Ähnlichkeit zu Rammstein-Frontmann Till Lindemann. −Fotos: Raimund Meisenberger

Alle Jahre wieder, wenn die Tage kurz und die Nächte lang sind und die Herzen sich nach Wärme sehnen, versammeln sich - so ist es Brauch und Sitte - die Menschen aus den Passauer Landen in der Dreiländerhalle zum althergebrachten Fest des Feuers mit "Stahlzeit".



Sie schütteln ihre Haare, brüllen alle innere Dunkelheit hinaus und lassen sie vertilgen von der Hitze der Flammen, die zwei Stunden lang vorne an der Bühne entzündet werden. Seit 2012 ist die Band Stahlzeit Stammgast in Passau und zelebriert die Musik von Rammstein. 2400 Fans ihrer Musik haben sich am Montagabend erhitzen lassen von einem starken Konzert und einer spektakulären Show.

Weltweit ist niemand erfolgreicher mit deutschem Liedgut als die Neue-Deutsche-Härte-Band Rammstein aus Berlin, die sich 1994 gegründet und benannt hat nach jener Flugshow-Katastrophe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, wo am 28. August 1988 drei Flugzeuge kollidierten und 70 Menschen starben. Wer den Fall vergessen hat: Bis Ende Januar sind ein Spielfilm und eine Dokumentation darüber in der ARD-Mediathek zu sehen. Das Spiel mit der Geschmacklosigkeit das Wandeln am Rande des Tabus gehört seither zur DNA der Band Rammstein. Das Spektrum reicht vom dumpf-provokanten "Stacheldraht im Harnkanal" bis zum Kokettieren mit ganz rechts, was Sänger, Texter und Lyriker Till Lindemann im selben Atemzug wieder weit von sich weist: Ist "Links 2 3 4" noch militaristisch, wenn man davor singt: "Sie wollen mein Herz am rechten Fleck, doch seh’ ich dann nach unten weg, da schlägt es links"? Und verliert "Deutschland" seinen Nationalismus und wird zur kritischen Anklage, wenn davor steht: "Überheblich, überlegen, übernehmen, übergeben, überraschen, überfallen, Deutschland, Deutschland über allen"? Vermutlich ja. Hoffentlich sieht das jeder so, der da mitsingt.

Verblüffende Ähnlichkeit zu Till Lindemann

In Militärjacke mit Schulterklappe, bis auf einen Mittelstreifen kahlrasiert, die Haut wie angekohlt geschminkt, kommt Heli Reißenweber auf die Bühne in Passau, seine machtvolle Bassstimme, seine gar "teutsche" Diktion, seine Muskeln, seine Gestik, seine stoisch-statische Performance ähneln der Till Lindemanns verblüffend. Er macht das Publikum zur "Armee der Tristen" und reiht Hit an Hit, "Sehnsucht", "Asche zu Asche", "Pussy", "Amerika", "Ohne Dich", "Hier kommt die Sonne". Kein Lächeln kommt über diese Lippen, alles ist ernst, streng, finster. Die Musik mit Drums, Bass, zwei E-Gitarren und dem die Heftigkeit süß kontrastierenden Keyboard drischt auf den Hörer ein wie Prügel. Stumpf, hart, düster, unerbittlich, heftig, vier Viertel, immer ein wenig langsamer als es angenehm wäre, und Akkordwechsel sind sowieso überbewertet. Brutale Riffs, große Melodien, neoromantische Texte à la "Mein Herz brennt".

Zu dem Song reißt sich Reißenweber ein brennendes Theaterherz aus der Brust, vor ihm und hinter ihm schießen dazu Feuerfontänen an die Hallendecke, die 20 Meter von der Bühne entfernt immer noch brüllend heiß sind. Das Feuer ist für die Marke Rammstein und für die Show dieser ausgezeichnet und demütig nachspielenden Coverband Stahlzeit so wichtig wie die Musik selbst. Der archaischen Faszination des Elements kann man sich schwer entziehen. Permanent brennt es auf der Bühne, als Schwelbrand am Boden, als Verpuffung, als Geschoss, als Feuerregen, es brennen die Mikrofonständer, es brennt aus dem Flammenwerfer, es brennt aus der Gesichtsmaske, ja, es brennt aus dem Hinterteil einer Hose.

Flammen brennen aus dem überdimensionalen Kinderwagen zu "Puppe", Flammen erhitzen den Riesenkochtopf zu "Mein Teil", das Lied über Armin Meiwes, der 2001 einen Diplomingenieur auf eigenen Wunsch verstümmelt, getötet und teilweise gegessen hatte, und Flammen lodern aus den Flügeln zum finalen "Engel".

Am Ende der Rammstein-Zeremonie ist alles verzehrt, Asche hängt in der Luft. "Es ist einfach so geil bei euch, leck mich am Arsch", sagt Sänger Reißenweber. "Wir freuen uns schon aufs nächste Jahr". Der genaue Termin steht noch nicht fest, aber sie kommen sie wieder, 2023 zum Fest des Feuers.