Megastars auf allen Kanälen
Eine echte Sensation: Das Münchner Museum Brandhorst zeigt „Andy Warhol & Keith Haring. Party of Life“

07.07.2024 |
Barbara Reitter-Welter

Sie waren Popstars, charismatische Netzwerker und (Selbst-) Vermarktungsgenies: Andy Warhol und Keith Haring. Bilder einer Freundschaft über eine Generation hinweg zeigt nun das Brandhorst Museum: Keith Haring malte „Ignorance = Fear“ 1989.  − F.: Andy Warhol Foundation, Keith Haring Foundation

Als Keith Haring (1958–1990) im Jahr 1978 sein Kunststudium in New York beginnt, ist Andy Warhol (1928-1987) bereits international ein Star, umweht von Gossip, Gerüchten und Storys über seine „Factory“. 30 Jahre Altersunterschied liegen zwischen ihnen, doch schnell wird der Ältere vom Mentor zum Freund und Kooperationspartner in der kreativen Community.

Pop-Ikonen, zum ersten Mal zusammen ausgestellt

Denn biografische und inhaltliche Überschneidungen gibt es zuhauf, von der kleinbürgerlichen, religiös geprägten Herkunft aus dem ländlichen Pennsylvania bis hin zur gelebten Homosexualität und dem Polit-Aktivismus, der sich bei Warhol in Werken wie „Hammer und Sichel“, bei Haring in einer Plakat-Serie zur nuklearen Abrüstung manifestiert. Dass aber die beiden Pop-Ikonen, deren Bilder längst fest im kollektiven Gedächtnis verankert sind, weltweit noch nie gemeinsam präsentiert wurden, ist unverständlich. Schon aus diesem Grund ist die fantastische Schau „Andy Warhol & Keith Haring. Party of Life“ im Museum Brandhorst eine echte Sensation.

„Kunst für alle“ war ihr damals noch revolutionäres Ziel, also weg von elitärer Kunstrezeption – was heißt, die Themen der Sub- und Underground-Kultur kamen im Mainstream an. Der Flirt mit dem Konsum entwickelte sich zur perfekten Selbstvermarktungs-Maschine. Jenseits aller Hierarchisierung bespielten die beiden Jahrhundertkünstler sämtliche mediale Kanäle. Statt Unikaten gab es dank Siebdruckverfahren erschwingliche, reproduzierbare „Massenware“, Merchandising gehörte ebenso dazu wie Selbstdarstellung durch effektvoll inszenierte Fotos. Warhol malte Grace Jones in Acryl; Haring bemalte sie und ließ die Performance fotografieren. Dazu gab es Partys mit illustren Gästen wie Bianca Jagger, Madonna oder Liza Minelli, die zwar noch nicht gepostet wurden, aber durch Zeitungen und Fernsehsender öffentliches Echo bekamen, Strategien, wie sie heute moderne Influencer nutzen. Wie diese nutzten sie aber auch die eigene Popularität zum individuellen „Signature Style“.

Und so beginnt denn auch die Ausstellung im Untergeschoss des Museums als Panorama der 80er Jahre mit dem Pop Shop, den Haring 1986 mit Warhols Unterstützung eröffnen konnte: die Wand bedeckt mit den ikonischen Signaturen aus Strichmännchen und dem bellenden Hund (der als Skulptur „Red Dog“ aus dem Privatbesitz des Museumsgründers Udo Brandhorst vor dem Museum installiert wurde), bedruckte T-Shirts auf einem Gestell, Buttons, Magnete, Poster neben künstlerisch gestalteten Platten-Covern. Längst haben diese Originale Kunst-Status (immerhin ist ein T-Shirt für 65 Euro im Museums-Shop erhältlich).

An den Wänden Fotos und Porträts der beiden Megastars, im Zentrum das legendäre Art Car, das Warhol für BMW bemalte, dazu Beuys im Camouflage-Look über Monitoren, auf denen Ausschnitte aus Warhols TV-Formaten zu Kunst-, Mode- und New York-Themen laufen. Eher versteckt finden sich in mehreren Vitrinen erstmals Schätze aus Warhols „Time Capsules“, Kartons, in welchen er fast wahllos Dinge sammelte, darunter Briefe, Bücher, aber auch ein alter Schuhlöffel und ein Schlips unbekannter Herkunft. Wie ein überdimensionales Werbeplakat wirkt Warhols Bild mit dem Turnschuh von Converse – bekannterweise gab es für ihn ja keine Berührungsangst zwischen Kunst und Kommerz.

Gemeinsames Gemälde zu Madonnas Hochzeit

Neben singulären Werken wie Warhols berühmter „Round Marilyn“ in Gold, den provokativen „Piss Paintings“, dem „Last Supper“ nach Leonardo da Vincis Abendmahl und den Campell’s Dosen als Kleidermotiv (der Großteil aus dem Besitz des Hauses) finden sich aber auch zahlreiche Kooperation zwischen Haring und Warhol. Zu Madonnas Hochzeit malten sie gemeinsam ein Gemälde und gestalteten zusammen mit Jean-Michel Basquiat, Roy Lichtenstein und Yoko Ono das Poster für eine Benefizveranstaltung. Haring verschmolz seinen Freund Warhol als „Andy Mouse“ mit Walt Disneys Micky Mouse und bemalte zusammen mit Basquiat eine chinesisch anmutende Bodenvase.

Wie gut sie in der New Yorker Szene vernetzt waren, bezeugen in den acht Themenräumen denn auch einige Werke, beispielsweise Harings optische Umsetzungen zu Texten des Autors William S. Burroughs unter dem Titel „Apocalypse“ 1988, jenem Jahr, als bei ihm Aids diagnostiziert wurde.

Barbara Reitter


Bis 26. Januar 2025, Museum Brandhorst München, Theresienstr. 35a, geöffnet Di. bis So. 10 bis 18, Do. bis 20 Uhr

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