Schumann-Liederabend im Duo
Einblick in die Romantik: Straubinger Bariton Christian Gerhaher bei den Salzburger Festspielen

02.08.2024 | Stand 09.08.2024, 14:13 Uhr |
Daniella Rieger-Böhm

Im Olymp des Liedgesangs: Christian Gerhaher und sein Freund und Pianist Gerold Huber. − Foto: Marco Borrelli, Salzburger Festspiele

Vordergründig war es ein eher „männlicher“ Liederabend im Haus für Mozart: Komponist, Dichter und Interpreten boten aus überwiegend maskuliner Sicht einen facettenreichen Einblick in die Romantik – gesungen vom Straubinger Bariton Christian Gerhaher. Wer aber genauer hinhörte, vernahm in seinem Gesang auch weibliche Perspektiven.

Der aus Niederbayern stammende Bariton Christian Gerhaher und Pianist Gerold Huber, seit gemeinsamer Schulzeit ein bewährtes Lied-Duo, wählten für diesen Abend ausschließlich Lieder von Robert Schumann (1810-1856), viele davon selten gehört. Dabei stellen sich beide Ausnahmekünstler ganz in den Dienst des Textes und überzeugen mit Ausdruckskraft und intensiver Musikalität.

Fernweh in Wort und Ton



Die lebendig gewordenen Lieder von Robert Schumann entstanden 1850/51, als sich nach der Eheschließung mit Clara Schumann erste Verdüsterungen einschlichen. Die Motive der Romantik (Sehnsucht nach der Natur, Ferne, Wandern, Liebe und deren Erfüllung oder Verlust, Tod und Glaube) werden kunstvoll in Gedichten berühmter sowie heute kaum mehr bekannter Autoren wie Wolfgang Müller von Königswinter, Justus Kerner, Gustav Pfarrius und Emanuel Geibel verarbeitet.

Den Kreis der Dramen en miniature beginnt Gerhaher sanft, fast tenoral, mit „Herzeleid“, einer Anspielung auf Ophelias Tod im Wasser, und er schließt ihn mit „Himmel und Erde“ (Text: Wilfried von der Neun), einer Erlösungsvision. Dazwischen findet die Liebe immer wieder Raum und zärtlich interpretieren Gerhaher und Huber: „Mein Herz und deine Stimme versteh’n sich gar zu gut!“ von August von Platen.

Im Olymp des Liedgesangs



Dieser außergewöhnliche Liederabend forderte nicht nur die Aufführenden, sondern auch das Publikum, da diese lyrische Sprache in unserer Zeit wie ein hermetisch geschlossener Kosmos erscheint. Gerhaher durchdringt diese Poesie nicht nur mit Intellekt, sondern hebt sie mit seiner meisterhaft angewandten Stimmkultur in den Olymp des Liedschaffens.

Wenn das Bild des Lichtes erscheint, strahlt seine Stimme in hellem Glanz, wogegen dunkle Stimmfärbung Tod und Verzweiflung beklemmend realistisch wirken lassen. Vom fast tonlosen Rezitativ mit zart-gerader Stimme bis zum laut-ekstatischen Espressivo voller Schmerz, vermag der Interpret alle Seelenzustände eindringlich zu vermitteln. Dabei nimmt er sich als Sänger weitestgehend zurück, um dem Dichterwort und der Musik größtmöglichen Raum zu geben. Mit Gerold Huber am Flügel hat er nicht nur einen zuverlässigen Freund, sondern einen der feinsinnigsten Pianisten unserer Zeit.

Dem gemeinsamen Mut, einer nicht leicht zugänglichen Literatur einen ganzen Abend zu widmen, gebührt alle Ehre. Das Publikum verstand die Botschaft und honorierte diese immense Leistung mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen. Mit zwei Zugaben wurde es belohnt: mit Schumanns Liedern „Mein schöner Stern“ und „An den Mond“.

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