Sie könnte Anfang des neuen Jahres ins Weiße Haus einziehen. Als erste Frau – und als erste Person mit zugleich afroamerikanischen und auch asiatischen Wurzeln. 2021 hat Kamala Harris ihre Biografie „Der Wahrheit verpflichtet. Meine Geschichte“ veröffentlicht. Das Buch bekommt nun erneut Aufmerksamkeit. Wer ist die Frau, die Trump entgegentritt? Was erzählt sie über ihr eigenes Leben?
„Vorab möchte ich zwei Dinge erwähnen: Mein Name wird ,Kammala‘ ausgesprochen, mit der Betonung auf der ersten Silbe. Er bedeutet Lotusblüte, und diese ist in der indischen Kultur ein besonderes Symbol. Und ich möchte betonen, dass dies ein sehr persönliches Buch ist.“ So schreibt Harris im Vorwort. Die Autobiografie erzählt vom erstaunlichen Werdegang der 1964 in Oakland, Kalifornien geborenen Kamala Harris. Ihre Mutter, Tamilin aus Indien, forschte an den Möglichkeiten der Heilung von Brustkrebs. Ihr Vater war Wirtschaftswissenschaftler und stammte aus einer afroamerikanischen Familie aus Jamaika.
Nach einem Bachelor in Politik- und Wirtschaftswissenschaften an der renommierten, schwarzen Howard University in Washington D.C. studierte Harris Jura und begann ihre Karriere in der Staatsanwaltschaft von San Francisco. Ihr Buch vermittelt einen guten Eindruck von der völlig anderen Organisation der Staatsanwälte in den USA: Sie werden nach intensiven Wahlkämpfen vom Volk direkt gewählt. Harris arbeitet sich hoch bis zur Generalstaatsanwältin für ganz Kalifornien. Immer wieder erzählt sie davon, wie sie ihr Engagement gegen die Ungleichbehandlung von schwarzen Menschen gegenüber Weißen, auf die geringeren Chancen von Armen gegenüber Reichen, von Frauen gegenüber Männern richten musste. Als Staatsanwältin nahm sie Einfluss auf die Gesetzgebung in Kalifornien und erwarb sich Ansehen im bevölkerungsreichsten Staat der USA. 2017 wird sie zur Senatorin gewählt.
Wie ein großartiges, sympathisches Regierungsprogramm linker Demokraten liest sich die lange Liste der Kämpfe dieser Frau, die es als Schwarze, als Asiatin, als unerbittliche Demokratin nicht leicht hatte. Sie kämpft gegen den unzuverlässigen Schulbesuch von Grundschülern, weil sie weiß, dass mangelnde Schulbildung eine schlechte Zukunftsprognose bedeutet. Sie kämpft gegen die Banken, die in der „subprice“-Krise für Hunderttausende von Familien den Verlust ihres Eigenheims verursachten. Sie kümmert sich um den Fortbestand von „Obamacare“, um klimaneutrales Wirtschaften, um das Verbot der von der Trump-Administration angeordneten Trennung der Kinder von asylsuchenden Eltern. Vieles setzt sie erfolgreich durch, anderes bringt sie auf einen guten Weg.
Ihr Buch verströmt Hoffnung im Kampf um eine gerechtere Welt, die den lauthals verkündeten moralischen Ansprüchen besser genügt. Es liest sich als Ermutigung von einer Frau, die so sympathisch schreibt, wie sie aussieht. Seit über sieben Jahren ist sie mit dem jüdischen Rechtsanwalt Douglas Emhof verheiratet. Ihre ganze Familie und ihr eigener Werdegang sind in zahlreichen Farbfotos sichtbar.
Harald Loch
Kamala Harris: „Der Wahrheit verpflichtet. Meine Geschichte“, aus dem Englischen von Jürgen Neubauer, Siedler, 334 Seiten, 22 Euro
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