Sudetendeutsches Museum
Der Mann, der 1200 Juden rettete: Münchner Ausstellung über Oskar Schindler

28.06.2024 | Stand 28.06.2024, 16:59 Uhr |
Joachim Goetz

Aus Anlass des 50. Todestages von Oskar Schindler am 9. Oktober 2024 erzählt das Sudetendeutsche Museum die Geschichte seines Lebens. − Fotos: Sudetendeutsches Museum/Privatarchiv Ferrari/Goetz

So aufregend wie Steven Spielbergs Kino-Hit „Schindlers Liste“ (1993) ist die Ausstellung mit dem Titel „Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter“ im Sudetendeutschen Museum in München freilich nicht. Was gut ist. Geschichten um den Holocaust, um den es in dieser Schau ja auch geht, begegnet man besser auf nüchterne Art. So zeichnet die Schau mit zahlreichen Fotografien, Dokumenten, Audio-Stationen und anderen Exponaten das auffällig extreme, geradezu sonderliche Leben Schindlers anschaulich und informativ und ohne großes Spektakel in zehn Kapiteln nach.

Spielbergs Film machte ihn berühmt

Wirklich bekannt wurde er erst posthum mit dem Spielberg-Film. Dabei ist Schindler (1908 –1974) etwas wohl Einzigartiges in der Nazizeit gelungen. Er rettete gemeinsam mit seiner Frau Emilie 1200 Juden vor dem sicheren Tod in den KZ. Wie er das machte, verblüfft. Denn es kam ihm genau das zu Hilfe, was ihn als Mensch mit einem schwachen Charakter erscheinen lässt, den er vielleicht auch hatte: seine Schlitzohrigkeit.

Gezeigt hat sich diese schon früh: Er fälschte Schulzeugnisse und musste die Schule verlassen. Er machte windige Geschäfte und hatte einen lockeren Umgang mit Geld. Er fuhr schnelle Autos, liebte Cognac und Frauen. Und war auch später seiner Ehefrau Emilie, die er 1928 in seinem Geburtsort Zwittau/Svitavy in Mähren heiratete, nicht treu. Schon bei seiner Hochzeit verhörte ihn die Polizei, weil ihn eine Ex-Geliebte des Heiratsschwindels bezichtigte.

Bald nach ihrer Gründung trat er 1935 in die Sudetendeutsche Partei ein, die man auch als fünfte Kolonne Hitlers bezeichnet. Er ließ sich als Spion anwerben, wurde 1938 enttarnt, eingesperrt, nach dem Anschluss des Sudetenlands freigelassen und in die NSDAP aufgenommen.

Für den vorgetäuschten Überfall auf den Sender Gleiwitz, der den Beginn des Zweiten Weltkriegs markierte, besorgte er polnische Uniformen.

Zu richtig viel Geld kam er dann durch die Übernahme einer ehemals jüdischen Emaillewaren-Firma in Krakau, die vor allem auf dem polnischen Schwarzmarkt agierte. Etwa 14 Mio Zloty, was 30 Mio Euro entspricht, machte die Firma zwischen 1939 und 1944 Gewinn.

Da Juden billige Arbeitskräfte waren, beschäftigte er zuerst sieben in seiner Firma. Es wurden immer mehr. Deshalb bekam er auch hautnah die Deportationen, die Ghettoisierung und die Vernichtungsaktionen im Krakauer KZ mit, dessen Lagerkommandant ein sadistischer SS-Offizier war. Schindler, der bis dahin auf seinen maximalen persönlichen Profit geachtet hatte, änderte angesichts des Mordens seine Haltung. Er wollte die jüdischen Zwangsarbeiter seiner Firma retten.

Wie das ablief, zeigt die Ausstellung anschaulich und detailliert. Durch Bestechung konnte Schindler auf seinem inzwischen ausgelagerten Fabrikgelände ein eigenes Arbeitslager als Außenstelle des KZ Groß-Rosen errichten. Die dorthin verlegten jüdischen Zwangsarbeiter wurden auf jenen legendären Blättern festgehalten, die dann als „Schindlers Liste“ zu cineastischer Berühmtheit gelangten. Im Museum sind nun Reproduktionen in einer unprätentiösen Schatzkammer-Installation bei gedämpftem Licht zu sehen. Dort wartet auch das Highlight der Schau, das der einst mit sieben Oscars und drei Golden Globes ausgezeichnete Film nicht so präsentieren konnte: eine originale zweiseitige Liste, die einem den Schauder über den Rücken laufen lässt.

Nach dem Krieg: Kein Geld, keine Anerkennung

Schindler zog aus seiner Heldentat, die ihn selbst und seine Frau jahrelang in Lebensgefahr gebracht hatte, keinen Nutzen. Das Vermögen war für die Rettung der Juden aufgebraucht worden. Im frühen Nachkriegsdeutschland, das ja für die kollektive Verdrängung der Nazi-Vergangenheit bekannt ist, erhielten die Schindlers keine Anerkennung und kein Geld. Ausgewandert nach Argentinien scheiterten sie mit einer Pelztier-Farm. Oskar Schindler, der alleine zurückkehrte, lebte schließlich hauptsächlich von den Zuwendungen seiner dankbaren „Schindler-Juden“, starb 1974 vergessen in Hildesheim und ist in Jerusalem begraben.

Er zeigte, dass Menschlichkeit auch unter widrigsten Bedingungen möglich war – und Mitläufertum keinesfalls Zwang.

Joachim Goetz


Bis 27. Oktober, Sudetendeutsches Museum, Hochstraße 10, München, Di. bis So. 10 bis 18 Uhr

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