Rodrigo Tomillo Als Gast am Pult
Der erste Kandidat empfiehlt sich als Chefdirigent in Passau

Der Spanier Rodrigo Tomillo glänzt am Pult der Niederbayerischen Philharmonie beim Festival Young Classic Europe

13.11.2022 | Stand 19.09.2023, 4:29 Uhr
Carola Baumann-Moritz

Rodrigo Tomillo zeigt eine reife Dirigentenleistung im Passauer Rathaussaal. −F.: Baumann-Moritz

Höchst faszinierend, wie ein Dirigent ein Orchester formen kann! So gehört und gesehen hat man die Niederbayerische Philharmonie, das Orchester des Landestheaters Niederbayern, am Freitag im Passauer Rathaussaal.

Die Mitglieder des Orchester sind festlich in Schwarz bzw. mit Frack gekleidet, die Freude am Musizieren ist sichtbar und spürbar. Der Gastdirigent Rodrigo Tomillo stammt aus Sevilla in Spanien und ist einer der beiden Kandidaten für den Posten des Chefdirigenten, die ab Januar besetzt werden soll und die dem Generalmusikdirektor untergeordnet ist. Das Orchester ist außerordentlich gut einstudiert. Mit großem Engagement folgen sie dem resoluten Dirigat und spielen allesamt sehr sauber und bestimmt. Tomillo liebt das Forte der Tuttistellen und geht aus sich heraus, die Einsätze und Übergänge dirigiert er sehr zuverlässig und sicher.

Richard Wagners Ouvertüre zu "Der fliegende Holländer" überrumpelt die Zuhörer mir aller Wucht und Lautstärke in dem für diese Besetzung völlig ungeeignetem Rathaussaal. Die Heimat des Orchesters, das Stadttheater, wäre die deutlich bessere Wahl gewesen im 25. Jubiläumsjahr des Festivals Young Classic Europe Festivals des künstlerischen Leiters Ivan Bakalow. So sitzt das Publikum mitten im Klang eingehüllt und muss sich an die Lautstärke und Rathaus-Hall gewöhnen.

Wagners Musik eignet sich aber gut als Opening, und das Orchester kann sein hohes Niveau voll zur Geltung bringen mit imposant starken Bläsern und homogenem und markantem Streicherklang. Die 22-jährige Armenierin Diana Adamyan erobert die Herzen mit Max Bruchs Violinkonzert g-Moll. Die zarte Frau spielt überzeugend energisch und einfühlsam mit jugendlicher Kraft und erstaunlich seelenvoller Leidenschaft. Bruchs Konzert stellt höchste technische wie musikalische Ansprüche an den Interpreten. Adamyan schafft das mit bewundernswerter Leichtigkeit und großem musikalischen Tiefgang. Tieftraurig und andächtig spielt sie das Adagio, das vom Orchester sehr gefühlvoll und behutsam begleitet wird. Sie steht voll unter Spannung und atmet die Musik. So gelingt der Solistin mit einem aufmerksamen Dirigenten und seinem Orchester eine grandiose Schluss-Steigerung, die in freudigem Applaus mündet. Die Künstlerin spielt als Zugabe eine armenische, zu Herzen gehende Melodie, die zu Tränen rührt, auch die Interpretin selbst.

Es ist immer wieder ein Genuss, Robert Schumanns "Rheinische Sinfonie" zu erleben. Tomillo ist in seinem Element, dirigiert nun locker und engagiert und gibt dem Orchester die Möglichkeit, mit großer Spielfreude zu agieren. Die Streicher erzeugen dabei einen durchsichtigen und klaren Klang und wechseln exakt die Melodien zwischen den einzelnen Gruppen. Dass bei lauten Tuttistellen das Blech dumpf dröhnt, liegt am Saal.

Die erste Empfehlung für den Posten als Chefdirigent liegt hiermit vor. Der zweite Kandidat, Ektoras Tartanis, dirigiert am 17. Dezember, ein weihnachtliches Sinfoniekonzert im Stadttheater.

Carola Baumann-Moritz