Soziale Medien
Das Phänomen BookTok: Rettet ausgerechnet das Netz den Buchmarkt?

25.10.2024 | Stand 25.10.2024, 15:00 Uhr |

Bücher lesen und sich darüber online und gerne emotional austauschen – das ist das Prinzip von BookTok, das während der Pandemie gerade für junge Menschen zum gemeinschaftsstiftenden Erlebnis geworden ist. Längst hat das Phänomen Einzug in den stationären Buchhandel gefunden. − Foto: dpa

Hashtag #BookTok – schon ausprobiert? Hinter dem Wortkonstrukt verbirgt sich ein Paradies für Leseratten – zumindest für solche, die am liebsten Bücher lesen, die ihnen in kurzen, emotionalen Worten ans Herz gelegt werden.

Die jungen Leser beflügeln den Buchmarkt

Aber von vorn: BookTok, Bookstagram und BookTube sind Communities in den Sozialen Netzwerken TikTok, Instagram und YouTube, in denen Bücherfans in Kurzvideos ihre persönlichen Buchempfehlungen abgeben. In den 2010er Jahren habe der Trend mit BookTube und Bookstagram begonnen, sagt Erika Thomalla. Doch den eigentlichen Boom in der Branche habe man erst mit BookTok feststellen können, ergänzt die Professorin für Buchwissenschaft und Digitale Buchkultur am Zentrum für Buchwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Trend aus den Sozialen Medien ist inzwischen so beliebt, dass sich auch lokale Buchhändler danach ausrichten.

Beim Besuch in einer großen Thalia-Buchhandlung fallen die BookTok-Empfehlungen direkt ins Auge: BookTok wurde in das Regal der Buchhändlerempfehlungen integriert – direkt neben den Büchern aus der Spiegel-Bestsellerliste. Außerdem gibt es einen großen bunten Tisch mit aufwendig gestalteten Einbänden und passend farbig gestaltetem Buchschnitt. Hier finden BookTok-Fans, ohne fragen zu müssen, die aktuellen Social-Media-Empfehlungen.

Doch wie kam es zum #BookTok-Hype? Als persönliche Kontakte in Pandemie-Zeiten eingeschränkt waren, wurden Bücher wieder zum beliebten Zeitvertreib – und der Austausch darüber in Sozialen Medien zum gemeinschaftsstiftenden Erlebnis. Inzwischen hat sich die Community etabliert – und viele, gerade junge Leute möchten sie nicht mehr missen. BookTok ermögliche einerseits den Rückzug zur stillen Lektüre und andererseits den Austausch über das Gelesene, erklärt Thomalla. „Die Verbindung von individueller Beschäftigung mit dem Buch und einem hohen Grad an Sozialiät im Austausch darüber macht BookTok so attraktiv, dass der Trend auch nach der Pandemie geblieben ist.“

Die Buchbranche nimmt es dankbar zur Kenntnis: Der angespannte Buchmarkt in Deutschland verzeichnete 2023 nach aktuellen Zahlen ein Umsatzwachstum von 2,8 Prozent. Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, erklärte das zuletzt so: „Während bislang eher die ältere Zielgruppe als die sichere Bank des Buchmarkts galt, beflügeln aktuell die jungen Leserinnen und Leser das Buchgeschäft. Auch angeregt durch Buchempfehlungen in Social Media wie #BookTok sind Bücher bei jungen Menschen hoch im Kurs.“

Buchhandlungen und Verlage stellen sich nach eigenen Angaben bei Programm, Sortimentsplanung und -präsentation auf die Bedürfnisse der jungen Leser ein. Viele seien längst selbst auf Social Media aktiv. Oder sie gestalten ihre Onlineshops um: Bei Thalia finden sich die BookTok-Bestseller in der Seitennavigation ganz oben links als erster Eintrag.

#BookTok hat im Juli mehr als 34,5 Millionen Beiträge auf der Plattform, die laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2023 von 39 Prozent der 14- bis 19-Jährigen täglich genutzt wird. Aktuelle Zahlen und Trends vom deutschen Buchmarkt 2023-24 zeigen, dass 27 Prozent der 10- bis 15-jährigen Leserinnen und Leser und sogar 36 Prozent der 16- bis 19-jährigen Leserinnen und Leser nach eigenen Angaben durch Soziale Netzwerke zum Lesen gebracht wurden.

Im Vorjahr bilanzierte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Social Media habe eine wachsende Bedeutung als Impulsgeber: Bei den 16- bis 19-Jährigen sei mehr als jeder vierte für Bücher ausgegebene Euro von Social Media inspiriert (rund 28 Prozent der Ausgaben) und auch bei den 20- bis 29-Jährigen sei der Einfluss groß.

Hauptsache bunt und emotional?

#BookTok kann Autoren zu Stars machen – und setzt neue Genre-Schwerpunkte. So veröffentlicht TikTok selbst inzwischen #BookTok-Bestsellerlisten. Oft kamen die Newcomer aus dem Bereich „New Adult“. Daneben ist die Sparte „Romantasy“ (Wortschöpfung aus Romantic und Fantasy) bei der #BookTok-Community beliebt, außerdem „Dark Romance“ und Selbsthilfebücher.

Dass es bei den #BookTok-Empfehlungen nicht nur auf die konkreten Inhalte eines Buches ankommt, haben auch Verlage und Autoren verstanden: Autorin und Buchbloggerin Antonia Wesseling bewirbt eins ihrer Bücher mit folgenden Worten: „Kennt ihr ein Buch mit nem richtig, richtig schönen Cover und vielleicht sogar nem Farbschnitt? Am besten mit ner Liebesgeschichte, viel Spice, unerwarteten Wendungen, Spannung, interessanten Charakteren und das sich irgendwie nah an der echten Welt anfühlt? Falls nicht: Ich kenn da eins – könnt ihr gerne vorbestellen.“

Lisa Maria Plesker

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