Tipps für Festspiel-Neulinge
Das erste Mal bei den Bayreuther Festspielen? – Ein kleiner Ratgeber

24.07.2024 |

Der erste Besuch bei den Bayreuther Festspielen kann aufregend sein: Picknick auf der Wiese oder Champagner im Festspielhaus? 2023 begrüßten güldene Wagner-Figuren von Ottmar Hörl die Festspielgäste. − Fotos: Vogl, Karmann, dpa

Von Kathrin Zeilmann und Britta Schultejans

Bayreuth. Ein paar Klicks – und hinein geht es in die besondere Welt der Bayreuther Festspiele. Im Online-Ticketverkauf ist es inzwischen möglich, auf ganz normalem Weg und ohne jahrelanges Warten Karten für das weltberühmte Opern-Spektakel zu kaufen. Doch danach geht es erst richtig los: Was zieht man an? Wie übersteht man die Hitze? Wo lauern die Fettnäpfchen? Und was macht man eigentlich in Bayreuth, wenn man gerade keine Oper hört? Hier ein paar Antworten für Festspiel-Neulinge, bevor es losgeht am Donnerstag, 25. Juli:

Stunden auf unbequemenSitzen: Wie erträgt man das?

Eine Wagner-Oper in Bayreuth ist eine Herausforderung – vor allem für Leute, die nicht daran gewöhnt sind, sich so lange auf ein Bühnengeschehen zu konzentrieren. „Ist das Selfie gepostet, stellt es für viele eine Herausforderung dar, die nächsten Stunden zu genießen“, sagt der Freizeitforscher Ulrich Reinhardt.

Kaum eine Freizeitaktivität dauere darum länger als anderthalb bis zwei Stunden. „Dann wollen die meisten Bürger einen neuen Reiz und wechseln die Aktivität. Gerade die junge Generation langweilt sich relativ schnell, driftet ab oder verliert die Geduld und fängt an nebenbei etwas anderes zu tun. Bei einer Opernaufführung sollte man sich auf das Stück einlassen und für die gesamte Dauer nicht an die nächste Verabredung, unbeantwortete Nachrichten oder den Wochenendeinkauf denken.“

Seine Tipps, damit das auch gelingt: „Nicht alleine gehen, vorher ChatGPT fragen, worum es geht und was zu beachten ist, Pausen nutzen, um neue Energie zu tanken – und einen Sitzplatz am Rand wählen, für den Fall der Fälle.“

Die perfekte Einstimmung auf Wagners gewaltige Musik

„Zeit mitbringen, eine Stunde vorher da sein und sich auf den Nachmittag und Abend einstimmen“, empfiehlt Festspiel-Sprecher Hubertus Herrmann. „Eine gute Vorbereitung ist sehr wichtig“, sagt auch Sissy Thammer. Sie leitet in Bayreuth seit vielen Jahren das Festival Junger Künstler und ist regelmäßig Gast auf dem Grünen Hügel. Sich einzulesen in Leben und Werk Wagners sei zu empfehlen. Und dann: „Reinsetzen, die Musik komplett auf sich wirken lassen.“ Wagners Musik sei gewaltig und sensationell schön. Eine spezielle Einstiegsoper gebe es nicht, man könne gar nicht sagen, dieses oder jenes Werk sei besonders passend für Neulinge: „Manche sagen, der ,Holländer‘ eignet sich, weil er so kurz ist. Aber das ist ein Schmarrn.“ Grundsätzlich gelte: „Hinfahren und genießen!“

Zum Einlesen hält die einschlägige Literatur eine Vielzahl von Büchern rund um Wagner und die Festspiele bereit, das Spektrum ist enorm: Biografisches, Politisches, Musikalisches. Auch die Libretti gibt es natürlich zu kaufen, um Wagners durchaus eigenwillige Sprache auch einmal auf dem Papier zu sehen („Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege! Wagalaweia! Wallala weialaweia!“). Zudem werden in Bayreuth eine Reihe von Einführungsvorträgen angeboten, die dabei helfen, im Dickicht zwischen Wotan, Alberich, Siegfried und Sieglinde den Durchblick zu behalten.

Die Frage nach dem richtigen Outfit

Gleich vorneweg: Es ist lockerer geworden in den vergangenen Jahren. Klar, Abendkleid und Smoking sind noch sehr häufig zu sehen. Aber auch Männer ohne Fliege und Frauen im Hosenanzug oder im eher lässigen Sommerkleid können bedenkenlos am Grünen Hügel flanieren. Nach mehreren Stunden Aufführung ist sowieso die schönste Frisur derangiert, das edelste Sakko zerknittert. Also: entspannt bleiben. Oder sich die Shopping-Tour vorab gönnen.

Was tue ich gegendie Hitze?

Schuhe anziehen, derer man sich schnell und unauffällig entledigen kann, wenn im Festspielhaus das Licht ausgeht. Das mag eine olfaktorische Herausforderung sein für den Sitznachbarn, kann aber vor dem Hitzekollaps bewahren. Und spätestens im zweiten Akt riecht es ohnehin nicht mehr gut im Festspielhaus.

Für Menschen mit langen Haaren gilt: hochstecken! Und Männer sollten sich ihres Sakkos schnellstmöglich entledigen, wenn sie Platz nehmen. Wird die Hitze dennoch unerträglich, bleibt nur, den Schweiß abzutupfen, mit dem Opernticket oder einem der Souvenir-Fächer zu wedeln und vom Kneipp-Becken hinter dem Festspielhaus zu träumen, in dem sich die hitzegeplagten Besucher in den Pausen – mit gerafftem Abendkleid – die schweren Beine vertreten.

Was kann ich essen undtrinken in den Pausen?

16 Uhr bis etwa 22 Uhr, dazwischen zweimal eine Stunde Pause – das sind die Eckdaten für die meisten Aufführungen. Der Magen wird knurren, die Hitze des Festspielhauses erfordert Wasser, viel Wasser. Man kann sich bei – zugegeben exklusiven Preisen – direkt am Grünen Hügel beköstigen lassen. Laut Bayreuther Lokalpresse in diesem Jahr zum Beispiel mit einem eigens kreierten „Tristan“-Krapfen oder Blattgold-Leberkäse.

Der klassischere Snack: die Festspiel-Bratwurst. Es gibt sie im Doppelpack in der Semmel und wer schnell ist und sich ohne Umwege an den Wurststand begibt, hat auch eine realistische Chance, noch eine zu bekommen, bevor die Fanfaren zum nächsten Akt rufen. Die Schlange ist zuweilen sehr, sehr lang.

Alternativ geht man ein paar Schritte den Festspiel-Hügel hinunter zu einem etwas versteckten Gasthaus. Oder man verstaut im Auto Proviant und Wasserflaschen und picknickt im weitläufigen Festspielpark. Die zwei großen Publikumsgruppen in den Pausen: die einen, die es sich leisten wollen und können, mit Champagner auf einen Opern-Abend anzustoßen. Und die anderen, die es sich auf der Picknickdecke oder der Parkbank gemütlich machen und selbst geschmierte Brote vertilgen. Es lebe die Vielfalt – auch beim Pausensnack.

Gibt es No-Gosauf dem Grünen Hügel?

Natürlich. Eins davon wäre, der netten Frau auf der Damentoilette, die gut gelaunt und je nach Beleuchtung der einzelnen Kabine ein „Schattenplätzchen“ oder einen „Platz an der Sonne“ zuweist, stets Hygiene- und Kosmetikartikel und Pflaster zur Hand hat, kein Trinkgeld zu geben.

Unbeliebt macht sich auch, wer bei einem Mittelplatz im Parkett nach jeder Pause der Letzte ist, der zurück ins Festspielhaus kommt und sich schwitzend an zwei Dutzend pünktlicheren Zuschauern vorbeischieben muss. Auch wer mit Husten in die Oper geht, muss mit genervten Blicken rechnen.

Und noch etwas Besonderes gilt bei Wagners letzter Oper, dem „Parsifal“, der eigentlich nur in Bayreuth aufgeführt werden sollte und nirgendwo sonst: Beim „Parsifal“ wird in Bayreuth traditionell nach dem ersten Akt vor lauter Ergriffenheit nicht geklatscht – obwohl Wagners angeblicher Wunsch, auf Applaus zu verzichten, wohl ein Missverständnis war. Die Zeitung „Die Welt“ schrieb zur Ruhe nach dem ersten Akt einst treffend: „Stattdessen gibt es eine Art Schweigeminute für Richard Wagner, dessen Tod im Jahre 1883 viele Besucher noch nicht verarbeitet haben.“

− dpa



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