Unter dem Motto „C the Unseen“
Chemnitz wird Kulturhauptstadt 2025 – So will die Industriestadt überraschen

30.12.2024 |

Hier vor dem berühmten Karl-Marx-Monument im Zentrum der Stadt läuft am 18. Januar die große Eröffnungsshow zur Kulturhauptstadt Europas 2025 im Sächsischen Chemnitz. − Foto: Hendrik Schmidt, dpa

2025 will Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas Besucher aus dem In- und Ausland locken. „C the Unseen“ – frei übersetzt „Chemnitz: Das Ungesehene entdecken“ – heißt das Motto, das über den mehr als 1000 geplanten Veranstaltungen steht.

Am Rathaus werden die Tage bis zum großen Eröffnungsspektakel am 18. Januar gezählt. Lohnt es sich dafür nach Sachsen zu kommen?

Chemnitz? Kulturstadt?
 Als Industriestadt galt Chemnitz einst als „Manchester Sachsens“, im Vergleich zu anderen Städten aber eher als Aschenputtel denn als kultureller Leuchtturm. Doch auch hier hat sich immer wieder kulturelle Blüte entwickelt, wovon etliche Bauten zeugen. Architekt Henry van de Velde hinterließ in Chemnitz Anfang des 20. Jahrhunderts seine Spuren und der Expressionist und „Brücke“-Mitbegründer Karl Schmidt-Rottluff machte in der Stadt seine ersten künstlerischen Erfahrungen. In der DDR gab es hier eine lebendige Kunstszene, die sich der staatlichen Kulturpolitik entzog. Dafür steht etwa die Künstlergruppe „Clara Mosch“. Trotzdem war es eine Überraschung, als Chemnitz den Kulturhauptstadt-Titel zugesprochen bekam.

Chemnitz zeigt seine Wunden
 Mit ihrer Bewerbung hat die Stadt Mut bewiesen und keinen Hehl aus ihren Wunden gemacht. Im Gegenteil: Sie wurden der Bewerbung vorangestellt. So etwa die Bilder vom Spätsommer 2018, als Chemnitz international wegen rechtsextremer Exzesse für Negativschlagzeilen sorgte. Damals gab es rassistische Angriffe, von Hetzjagden auf Ausländer war die Rede. Auch das Kerntrio der Terrorzelle NSU hatte nach seinem Untertauchen zeitweise unbehelligt in der Stadt gelebt und hier Unterstützer. Ziel der Kulturhauptstadt ist es, die „stille Mitte“ zu aktivieren – jene Menschen, die sich nicht an politischen Debatten beteiligen oder politisch engagieren. Zugleich sollen die Macher-Qualitäten der Region in den Fokus rücken.

Das Programm
 Doch was erwartet die Besucher? Rund 440 Seiten ist das Programmbuch dick. Geplant sind rund 150 Projekte und über 1000 Veranstaltungen. Dazu gehört eine große Ausstellung zum norwegischen Maler Edvard Munch, der 1905 in Chemnitz war und hier mehrere Gemälde schuf. Ein Kunst-Parcours t führt als „Purple Path“ von Chemnitz durchs Umland und zeigt Arbeiten etwa von Tony Cragg, Sean Scully und James Turrell. Mehr als 30 Museen der Region präsentieren zudem ihre Exponate in einem „Museumcircle“ nach John Cage.

Bei einem Marathonlauf verwandelt sich die Strecke zur längsten Bühne der Welt mit Musik von Klassik bis Hip-Hop und Elektro. Die Sportkultur wird zudem mit einer grenzüberschreitenden Radtour gefeiert, die an die Internationale Friedensfahrt erinnert. Geplant sind auch eine Tanz-Entdeckungsreise durch die Stadt nach James Joyces Jahrhundertroman „Ulysses“ sowie eine Neuauflage des Demokratiefestivals „Kosmos“ mit zuletzt rund 70.000 Besuchern. Derweil will das Festival „Begehungen“ das ehemalige Braunkohlekraftwerk der Stadt in eine Galerie für zeitgenössische Kunst verwandeln. Und ein Pilot-Dokumentationszentrum informiert über den NSU-Komplex und die Geschichten der Opfer und Angehörigen der rechtsextremen Mord- und Terrorserie.

Auftakt am 18. Januar
 Eingeläutet wird das Kulturhauptstadtjahr am 18. Januar. Dazu werden 70 000 bis 100 000 Besucher erwartet. Neben Programmen auf mehreren Bühnen sind ein Festakt im Opernhaus, ein Rave auf dem Marktplatz und eine große Eröffnungsshow am Karl-Marx-Monument geplant – dem bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Details der Show will Lars-Ole Walburg bisher nicht verraten. Der renommierte Regisseur verantwortet das Programm der Eröffnungsfeier. Durchgesickert ist allerdings bereits, dass 120 Menschen eine historische Dampflok durch die Innenstadt ziehen werden. Die Aktion verweist auf die Geschichte von Chemnitz und ist zugleich Sinnbild des „kollektiven Anpackens“, wie Walburg erläutert.

Andreas Hummel


Mehr zu Chemnitz und zum Programm finden Sie hier

Artikel kommentieren