„Bei uns wird kein Bauch aufgeschnitten“
Rotkäppchen als vogelwildes Hörspiel von Stefan Murr und Heinz-Josef Braun

l

24.11.2024 | Stand 29.11.2024, 15:01 Uhr |

Sind selbst ihre härtesten Kritiker: Stefan Murr (l.) und Heinz Josef Braun arbeiten sehr intensiv an den Charakteren, mit denen sie alte Märchen zeitgemäß und witzig ins Bairische übertragen. − Foto: privat

Wenn Heinz Josef Braun und Stefan Murr ins Studio gehen, dann werden aus den angestaubten Märchenfiguren der Gebrüder Grimm vogelwilde Zeitgenossen, die irgendwo gelandet sind zwischen „Deutschland sucht den Superstar“ und „Das große Backen“. Die beiden Schauspieler machen aus den altbekannten Handlungen Roadmovies zum Hören und bringen damit kleine Zuhörer genauso zum Lachen wie Erwachsene. Das liegt auch an der hörbaren Lust, mit der sie sich auf ihre Märchencharaktere stürzen. Erzählt wird auf Bairisch, aber die Figuren schnacken auch mal im feinsten Norddeutsch oder kommen mit Wolfsgeheule um die Ecke. Nach Schneewittchen, Aschenputtel, Robin Hood oder dem Tapferen Schneiderlein, haben sich die beiden kreativen Köpfe nun dem Rotkäppchen gewidmet. Mit Oma, Wolf und schmissigen Songs.

Spannung aufbauen – mit Freude, Lust und Spaß



Spannung aufbauen, mit Freude, Lust und SpaßEigentlich ist das Rotkäppchen schnell erzählt. Das Rotkäppchen geht in den Wald, um die kranke Großmutter zu besuchen, beide werden vom Wolf gefressen. Der Jäger schneidet dem Tier den Bauch auf und legt Steine hinein. Daraus machen Sie nun erneut eine Art Roadmovie mit Musik. Was waren die größten Herausforderungen?
Heinz-Josef Braun: Bei uns wird niemandem der Bauch aufgeschnitten. Und vor allem kommt dann niemand, der gfressen wurde, lebendig wieder raus. Diese Form der Angstpädagogik ist von vor-vor-gestern und heute nicht mehr vermittelbar, bzw. wollen wir das auch nicht. Wir wollen schon Spannung aufbauen, aber immer mit Freude, Lust und Spaß. Wir wollen den Kindern und Erwachsenen ein unbeschwertes Vergnügen bereiten.
Stefan Murr: Wir nehmen uns dafür richtig Zeit. Und tüfteln so lange, auch im Tonstudio, bis wir beide restlos glücklich sind. Das Schöne ist, dass wir als unsere eigenen Autoren, Komponisten, Sänger, Sprecher, Tontechniker und Produzenten uns unsere Geschichten passgenau auf den Leib schneidern. Das ist aber auch gleichzeitig die größte Herausforderung. Wir sind nämlich sehr streng mit uns.

Sie haben schon das Schneewittchen, das Tapfere Schneiderlein und andere Grimmsche Märchen auf Bayerisch interpretiert. Nach welchen Kriterien wählen sie aus, ob eine bayerische Variante machbar ist?
Stefan Murr: Eine bayerische Variante ist grundsätzlich immer machbar. Bei uns steht an erster Stelle der Lustfaktor: Welches Märchen spricht uns spontan an? Welches hat genug Fleisch für eine Stunde spannendes Hörspiel?
Heinz-Josef Braun: Wo kommen uns genügend lustige und unterschiedliche Figuren in den Kopf? Und haben wir am roten Faden entlang des ursprünglichen Märchens genug zündende Ideen für eine eigene Geschichte?

Ihr Verlag nennt die Geschichten anarchisch. Wie muss man sich ihre Entstehung ganz praktisch vorstellen?
Heinz-Josef Braun: Der erste Schritt ist eine Ideensammlung. Wir lesen das Märchen im Original und spinnen dann drauf los. Wenn wir dann konkret zu Schreiben anfangen, immer gemeinsam, schauen wir meistens in die Ideensammlung gar nicht mehr rein.
Stefan Murr: Die Geschichte nimmt dann von selbst Fahrt auf. Und das Eine ergibt das Andere. Am Ende haben wir ein etwa ein 40-seitiges Manuskript, mit dem wir dann ins Studio gehen. Aber auch das ist noch nicht in Stein gemeißelt, sondern verändert sich beim Aufnehmen immer wieder.

Und diese Ohrwürmer, die diesmal im Gewand von La Paloma bis Italo-Western daherkommen?
Heinz-Josef Braun: Wenn wir beim Schreiben merken, jetzt könnte mal wieder ein Lied kommen, packe ich meine Gitarre aus und wir probieren gemeinsam rum. Wir machen alles gemeinsam. Wir spielen sogar mittlerweile sehr regelmäßig Tennis zusammen.
Stefan Murr: Wir achten bei den Songs darauf, dass sich die Musikstile abwechseln, aber auch perfekt zur Figur und Situation passen. Und ganz wichtig: Das Publikum muss sie gut mitsingen können.

Diesmal gibt es die Oma Trude, die aus Buxtehude kommt und Hochdeutsch spricht, ihr Bernhardiner Barbarossa hat österreichische Wurzeln, der böse Wolf ist noch dazu eine besondere Wolfsgattung und auch ein bisschen dumm. Ganz zu schweigen vom Jäger, der beim Großen Backen mitmachen will. Gibt es Figuren, die Ihnen besonders ans Herz gewachsen sind?
Stefan Murr: Die Oma Trude kommt deshalb aus Buxtehude, weil wir den Titel „Rotkäppchen“ nicht ändern wollten. Sonst müsste es „Rotkapperl" heißen, und das klingt ja doof. Grundsätzlich sind uns alle unsere Figuren ans Herz gewachsen. Wir lieben es einfach, mit Dialekten und verschiedenen, auch extremen Charakteren zu spielen.
Heinz-Josef Braun: In allen unseren Märchen kommen zwei Ratten vor, mal als Diener-Ratten, Hip Hop-Piraten, mal als Paparazzi. Und wenn man sich die beiden Ratten genauer betrachtet, haben sie eine nicht zu unterschätzende Ähnlichkeit mit Herrn Braun und Herrn Murr.

Ihre bayerischen Märchen sind für Kinder ab sechs Jahren geeignet. Aber auch Erwachsene hören gerne zu. Worin liegt das Geheimnis?
Heinz-Josef Braun: Der Auslöser war der Stefan, der genau dieses Bedürfnis hatte. Als sein Sohn die ersten Kindersachen gehört hat, wollte er unbedingt was machen, was für Kinder und Erwachsene lustig ist. Kinder wollen ihre Lieblingsgeschichten ja immer wieder hören.
Stefan Murr: Und wenn sie auch den Eltern/Großeltern gefallen, dann ist das ein gemeinsames Erlebnis. Und das ist doch wunderschön. Vielleicht liegt das Geheimnis darin, dass wir nur das schreiben, was uns selber amüsiert. Wir sind einerseits erwachsene Männer und gleichzeitig große Kindsköpfe.

Sie touren derzeit mit den bayerischen Märchen. Stehen bei Ihnen beiden demnächst auch neue Film- oder Serienrollen an?
Stefan Murr: Ich hatte grade das Vergnügen bei der neuen „Pumuckl“-Serie mitzuspielen. Und bei einer Oskar-Maria Graf -Verfilmung für das ZDF.
Heinz-Josef Braun: Und ich bei der Mini-Serie „Mord auf dem Inka-Pfad".

Und noch eine letzte wichtige Frage, die das Auenland bewegt: Gibt es eines Tages auch die Herr-der-Ringe-Trilogie auf Bayerisch?
Stefan Murr: Die Trilogie wäre 2050 urheberrechtsfrei. Wenn es soweit ist, schauen wir mal, ob wir dann noch Lust drauf haben.

Das Interview führteIsolde Stöcker-Gietl



• Das Bayerische Rotkäppchen ist im Trikont Verlag erschienen und kostet 15 Euro, Tourtermine auf www.braun-murr.de

Artikel kommentieren