Buchheim Museum Bernried
Ausstellung "flores y mujeres": Schön, frivol und selbstbewusst

15.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:59 Uhr

Mit forschem, selbstbewusstem Blick: Von Karoline Wittmann stammt das Selbstbildnis im Halbakt mit Gladiolen. Gemalt hat sie sich 1949. −Foto: VG Bild-Kunst 2022

Wie sie da steht: Aufrecht, Strohhut auf dem Kopf, oben ohne und vor einem Gladiolenstrauß. Ist das frivol? Fordert es den männlichen Blick auf eine schöne Frau heraus? Wohl kaum. Karoline Wittmann (1913–1978), die von ihren expressiv-realistischen Gemälden während ihres Lebens gerade mal drei Stück verkaufte, richtet in diesem "Selbstbildnis im Halbakt mit Gladiolen" von 1949 einen geradezu forschen, selbstbewussten Blick auf den Betrachter. Den sie vielleicht fragen könnte: Was siehst Du? Die attraktive Frau oder das Werk einer Künstlerin? Die Kuratoren der neuen Ausstellung im Bernrieder Buchheim Museum sagen: Es war ein kühner Sprung in die Emanzipation vom NS-Frauenbild der züchtigen Hausfrau. Soviel zur Interpretation dieses Selbstporträts der Malerin, die zur sogenannten Verschollenen Generation zählt und in einer einzigen Bombennacht 1944 ihr gesamtes Frühwerk verlor.

Das Bild ziert nicht ohne Grund das Cover des schönen Katalogs zur Schau mit dem Titel "flores y mujeres", also: Blumen und Frauen. Dabei geht es freilich nicht so sehr um die Blumen – sondern um den Wandel des Frauenbildes, dessen viele Facetten und die Rolle der Frauen in der Kunst der expressiven Realisten des 20. Jahrhunderts. Sie waren mit die ersten, die den althergebrachten Klischees etwas entgegensetzten. Zumindest teilweise.

Denn der sexistische Blick existiert ja bis heute. Teils verdeckt, teils offen. Mitunter gibt es Mischformen. Und manchmal ist es nicht eindeutig.

Die Inspiration zur Ausstellung (und ihrem Titel) war übrigens die in den Feuilletons tobende Kontroverse von 2018 zum Avenidas-Gedicht des bolivianisch-schweizerischen Schriftstellers Eugen Gomringer. Dieses Gedicht konkreter Poesie, das aus den immer wieder anders kombinierten vier Substantiven Flores, Mujeres, Avenidas sowie einem Bewunderer (Admirador) besteht, wurde nach AstA-Protesten von der Wand einer Berliner Hochschule entfernt.

Sammler und Museum beschlossen damals angesichts der Vielzahl von Blumen- und Frauenbildern in der Sammlung Hierling, sich intensiv dem Thema Frauen und Kunst zu widmen. Blumen und Frauen werden oft als Sinnbild für Schönheit und Erotik dargestellt. Klar, dass in Zeiten von MeToo, Achtsamkeit, respektvoller Akzeptanz andersartiger Lebens- und Liebesformen einiges in der Ausstellung befremdlich wirkt. Frivol und anrüchig stellt sich "Europa und der Stier" (1952) von Emil Scheibe dar. Eine in schwarzen Dessous aufwartende Domina posiert vor einem Fenster, hinter dem gerade ein Stier vom Metzger zerteilt wird. Eine derbe Interpretation des antiken griechischen Mythos, nach welchem sich Zeus in einen lammfrommen, geradezu hilfsbedürftigen Stier verwandelt, der in Tiergestalt die phönizische Königstochter Europa eroberte und die drei Kinder Minos, Rhadamanthys und Sarpedon mit ihr zeugt.

Schön ist, dass die Autoren besonders im Katalog auf verständliche Weise sozusagen eine ganze Historie des Frauenbildes in der Kunst mitliefern. Zu dieser gehört auch das Jahrhunderte geltende Aktverbot der (Katholischen) Kirche, das Aktdarstellungen – also Erotik – nur in biblischen Bildern duldete. Julius Hüther thematisiert freilich erst später in seinem biblischen Thema "Susanna und die Alten" (1916) einen begehrlichen Blick älterer Männer auf die nackte Susanna im Bade. Die Geschichte selbst, die schlussendlich mit der Steinigung der beiden Alten endete – nicht wie von diesen geplant von Susanna, ist freilich nicht so sexy.

Frauen wurden in Deutschland übrigens erst 1919, in München 1920, an Kunstakademien aufgenommen. Die hehren Akademien von innen sahen ausschließlich meist alte, wenig begüterte Aktmodelle, die nicht selten ihres Aussehens halber von teils weltberühmten Künstlern verspottet wurden.

Interessant wird dann der weibliche Blick auf den weiblichen Körper. Unter den 44 Künstlern der Schau sind gerade mal acht Künstlerinnen. Die aber für einen anderen Blickwinkel sorgten. Neben Wittmann zeigen diesen etwa Suzanne Eisendieck mit einem sitzenden Akt. Uli Makrun malte in den 20er Jahren "Ballett-Mädchen", Lotte Lesehr-Schneider 1932 ihre Schwester "Else in Tanzpose" mit selbstbewusster Erotik. Die Schau lohnt sich, nicht zuletzt der oft als Zugabe wirkenden schönen Blumenbilder halber.

Joachim Goetz

Bis 26. Februar, Buchheim Museum Bernried, Am Hirschgarten 1, geöffnet Di.-So. 10-17 Uhr