Bei einem ungewöhnlichen Auftritt in der ARD-Nachrichtensendung hat die Berliner Band "Die Ärzte" an die Politik appelliert, in der Corona-Krise die Kulturbranche nicht zu vergessen.
Die Lage ist bitterernst, anders ist das nicht erklärbar: Die "Tagesthemen", ein Hort deutscher Seriosität der ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland) ließen am Freitagabend ihre Nachrichtensendung eröffnen von der Berliner Punk-Rock-Band Die Ärzte, die am selben Tag ihr neues Album "Hell" auf den Markt brachte. Die bekannte Eingangsmusik der Sendung spielten die Musiker Farin Urlaub, Bela B und Rod Gonzalez live mit E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug. Danach erläuterten sie im Interview mit Moderator Ingo Zamperoni, in welchen existenziellen Nöten die Künstler in Deutschland 2020 stecken.
So etwas gab es noch nie, der Ausnahmefall im Studio symbolisiert zugleich die Alarmstufe Rot in der Kultur.
Das Intro der Ärzte zu den "Tagesthemen"
Der Auftritt – eingeleitet mit den Worten "Hier ist das Ärzte Deutsche Fernsehen mit den Tagesthemen" – hat der Band viel Zuspruch, aber auch etwas Kritik beschert. Twitter-Nutzer sprachen von einer "coolen Aktion" und einer "tollen Idee", der Beitrag des Senders erhielt Tausende Likes. Auf Youtube und Instagram wurde das Video des etwa 40-sekündigen Intros bis Sonntag jeweils rund 900.000 Mal angeklickt. Viele Nutzer kommentierten den Auftritt positiv. Manche kritisierten auch die Werbung für das neue Album – wie einst beim ZDF in "Wetten, dass ...", wo Promis auch immer dann auftauchten, wenn sie etwas zu vermarkten hatten.
Das Interview der Ärzte in den "Tagesthemen"
Die Menschen in der Musikszene würden in Zeiten von Corona ignoriert, sagte Ärzte-Sänger Farin Urlaub. "Das Problem ist tatsächlich, wir nehmen Kultur als gegeben hin, Kultur ist einfach immer da." Kultur brauche nicht nur kommerziell erfolgreiche Bands wie sie selbst, sondern auch Clubbetreiber, Technik- und Aufbauhelfer sowie kleinere Bands, die noch keine Plattenverträge haben. Wenn das wegbreche, entstehe ein "langfristiger Schaden".
Zur Albumkritik "Hell" gelangen Sie hier.
Schlagzeuger Bela B. berichtete, dass wegen der fehlenden Auftrittsmöglichkeiten viele seit sieben Monaten keine Arbeit hätten. "Wir hoffen, die Politiker dazu zu bringen, diese Branche mit 1,4 Millionen Menschen auch zu sehen."
Lisa Forster und Raimund Meisenberger
