Interview zum 65. Geburtstag
Harald Schmidt: "Die Medien sind verzweifelt, dass die Leute sich nicht genügend fürchten"

18.08.2022 | Stand 18.08.2022, 10:15 Uhr

",Rhein in Flammen‘ geht ja nicht, weil kein Wasser da ist." Entertainer Harald Schmidt sieht den Feierlichkeiten zu seinem heutigen 65. Geburtstag ganz bescheiden entgegen. −Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Vor acht Jahren hat sich Harald Schmidt, der am 18. August seinen 65. Geburtstag feiert, mit seiner Late-Night-Show aus dem Fernsehen verabschiedet – was aber nicht heißt, dass er die aktuellen Entwicklungen nicht auf das Genaueste verfolgt.

Sie spielen jetzt in Wien Ludwig XV. – und singen auch?
Harald Schmidt: Ja, zwei Sätze. Das genügt auch. Ich sing halt so, wie ein Schauspieler singt.

Wie ist das gekommen?
Schmidt: Volksoper Wien, da muss man mich gar nicht groß überzeugen. Und Wien ist eine total theaterverrückte Stadt.



Und die österreichische Politik?
Schmidt: Halte ich mich völlig raus. Ich bin ja Gast. Man muss da leben, man muss da aufgewachsen sein, um das in der DNA zu haben, sonst ist es so Geblubber von außerhalb. Was ich auch überhaupt nicht mache, ist, im Ausland negativ über die deutsche Politik zu reden. Das finde ich eine schwache Charakterleistung, wenn man das macht.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz gibt für Sie vermutlich sowieso nicht viel her.
Schmidt: Ich finde, dass die Regierung ihren Job mehr oder weniger gut erledigt. Ich meine: Der Laden läuft, und der Rest ist Sache von den Aufgeregten, die in den Talkshows sitzen. Da geh ich ja nicht hin. Ich gehe nicht in diese Auffangbecken, wo die Erniedrigten und Beleidigten sitzen. Ich gehe nur dahin, wo ich der einzige Gesprächspartner bin.

Ihre Zeit war ja die von Gerhard Schröder.
Schmidt: Ja, das war eine völlig andere Situation. Da war auch die Medienlandschaft eine andere. Sie hatten ja quasi noch kein Internet. Es gab noch keine Smartphones. Es ging gerade erst los. Diese Dauerpräsenz wie heute, das hatten Sie damals nicht.

War die Politik damals unterhaltsamer?
Schmidt: Ach, das ist wie wenn man sagt: Früher war man im Fußball heimatverbundener. Mich interessiert nicht, ob ein Spieler heimatverbunden ist. Wenn der Scheich für ihn 300 Millionen zahlt, warum nicht? Ich muss mich mit dem aktuellen Datum auseinandersetzen. Und da kriege ich mit: Der Kanzler hat gerade seine erste Pressekonferenz nach den Sommerferien abgehalten, und es kommen jede Menge neue Pakete. Der Ausdruck gefällt mir gut: Pakete! Es gerät nur schnell in Vergessenheit. Zum Beispiel das Osterpaket, das Robert Habeck für uns geschnürt hat – da weiß ich schon nicht mehr, was das war. Früher hätte man gesagt: Schulden. Heute: Sondervermögen.

Der Kanzler will die Angst vor dem schrecklichen Winter reduzieren. Man hat sich doch noch nie vor einem Winter so sehr gefürchtet wie vor dem kommenden.
Schmidt: Das glaube ich nicht, dass man sich fürchtet. Es wird behauptet, dass man sich fürchtet. Die Medien sind verzweifelt, dass die Leute sich nicht genügend fürchten. Wenn ich die Leute in Straßenumfragen sehe, dann sagen die: "Naja, wir warten mal ab. Ich drehe halt ein bisschen das Gas runter. Verglichen mit anderen Ländern geht’s uns ja noch prima."



Sie glauben, die Leute sind gar nicht so ängstlich?
Schmidt: Nein. Das habe ich definitiv gelernt: Es gibt einen Riesenunterschied zwischen der medialen Aufregung, die verbreitet wird, und der Bevölkerung. Die stellen vielleicht fest, dass Sachen teurer werden oder dass das Tanken teurer wird.

Aber Inflation und steigende Energiepreise gehen doch nun mal wirklich ins Geld.
Schmidt: Schauen Sie doch mal in die Biergärten, schauen Sie doch mal in die Straßencafés: meine Generation, große Eisbecher! Viele auch schon auf dem Elektrorolli, weil man die Gelenke nicht mehr so im Griff hat. Da höre ich natürlich schon den Einwurf: "Das sind einige wenige, aber das kleine Mütterchen!" Das ist sicher auch richtig. Das Thema der Zukunft ist für mich der demografische Wandel. Boomer. Immer mehr Rentner, immer weniger, die einzahlen.

Wann ist es bei Ihnen soweit mit der Rente?
Schmidt: Bei mir sind’s glaub ich noch acht Monate. Ich war ja die meiste Zeit Freiberufler. Aber ich habe halt 15 Jahre voll einbezahlt, um eine Minirente zu kriegen.

Wissen Sie schon, wie viel Sie bekommen?
Schmidt: Aktueller Stand: 272 Euro. Im Ernst! Die kassier ich auch knallhart, ich hab ja einbezahlt, das steht mir zu. Das ist ja kein Almosen, das ist ein Deal, den ich mit dem Staat gemacht habe.

Machen Sie eigentlich eine große Feier zu Ihrem Geburtstag?
Schmidt: Nein. Ich mache eine Überraschungsparty. Ich weiß noch nicht, ob ich meine Gäste überrasche oder meine Gäste mich. Aber ich habe auf jeden Fall schon mal vor zehn Jahren dieses "Save the date" verschickt.

Also so groß wird die Feier nicht?
Schmidt: Das weiß ich nicht. Es kann sein dass wir im Rahmen von "Wir müssen alle sparen" nur ein kleines Tischfeuerwerk machen. "Rhein in Flammen" geht ja nicht, weil kein Wasser da ist.

Derzeit gibt es ja eine große Retrowelle im Fernsehen. Sie planen da nichts?
Schmidt: Nein, definitiv nicht. Ich bin jetzt wieder auf der Bühne, wo ich herkomme, und das ist für mich absolut fantastisch. Ich muss mich mit niemandem absprechen.

Können Sie sich denn erklären, wo diese Welle herkommt?
Schmidt: Die Retrowelle? Wahrscheinlich eine gewisse Verzweiflung. Ich kenne keinen Menschen unter 20, der noch Fernsehen guckt. Auf dem Handy werden sich die zwei Minuten gezeigt, die interessieren.
Interview: Jonas-Erik Schmidt und Christoph Driessen