Jazz-Hip-Hop aus Nürnberg/Hauzenberg
Bayerns beste Bands: Ferge X Fisherman

04.06.2020 | Stand 21.09.2023, 3:00 Uhr

Die Coolness von US-Hip-Hop und den Charme des Jazz bringen Rapper Fritz Fisherman (links) und DJ & Produzent Ferge zusammen. −Foto: Nikkoël Kieffer

Chet Baker, Miles Davis und Maceo Parker waren Musiker, die sein Vater verehrte. Mit diesem Jazz- und Funksound wuchs der Nürnberger Rapper Fritz Fisherman alias Kolja Pribbernow auf. Und mit Englisch als zweiter Muttersprache. Seit frühen Teenagertagen macht er Musik mit dem DJ und Produzenten Ferge, in ihrem gemeinsamen Projekt Ferge X Fisherman – das "X" spricht sich als "and" oder auch gar nicht – bringen sie Hip-Hop und Jazz zusammen. Nach der EP "Gone Fishing" von 2018 ist jetzt im Eigenverlag das exquisite Debütalbum "Blinded By The Neon" erschienen.



Fricklig programmierte Beats, Fishermans rauchig sonorer Rap und der gechillte Jazzsound der Liveband Lakesideboys gehen ineinander auf, wie durch ein Wunder fügen sich sogar Bläsersätze, Hammond-Orgel und Gospel-Chöre reibungslos und charmant dazu. Im Südosten Bayerns kennt man die Band von ihrem Auftritt beim Impuls-Festival Passau, aus dem Radio etwa von BR Puls. In unserer Reihe "Bayerns beste Bands" haben wir mit Rapper Fritz Fisherman gesprochen.

DJ & Produzent Ferge und du kennt euch seit Schülerzeiten. Wie lief das mit den ersten Sessions im Kinderzimmer mit 14 Jahren?
Fritz Fisherman: Ich war in Nürnberg auf einer anderen Schule als er, aber die waren nur fünf Gehminuten entfernt, und wir hatten immer die gleiche U-Bahn-Station. Wir kannten uns über gemeinsame Freunde, mit denen wir skaten waren. Da war auch noch ein anderer Rapper dabei, der bei meiner anderen Band Flying Penguin mitmacht, die gerade pausiert. Und Lukas Dad ist Tonmeister, der hatte die ganzen Studio-Equipmentsachen bei sich zu Hause gehabt. Dann haben wir gesagt: Komm, lass mal einen Song machen. Dann haben wir das gemacht, und damit war ein kleines Feuer entfacht. Das ging dann soweit, dass Lukas Eltern immer für uns mit eingekauft haben und dann da Joghurts im Kühlschrank standen, die außer uns Gästen keiner gegessen hat.

Wie hieß der erste Track?
Fritz Fisherman: Der hieß "Easy Going Lifestyle" und den findet man sogar im Internet - natürlich unter ganz anderem Namen. Aber vielleicht gibt’s ein paar Spitzfindige, die den noch finden.

Deutsch ist längst salonfähig im Hip-Hop, wieso seid ihr bei English geblieben?
Fritz Fisherman: Das ist cool, dass du’s so fragst, weil bei mir ist tatsächlich "Englisch bleiben" richtig. Ich hab nie auf Deutsch gerappt. Das liegt daran, dass ich auf einer internationalen Schule war und englischsprachig groß geworden bin. Von der Seite meines Vaters sind viele noch in den USA, und von daher wurde ich mit amerikanischem Hip-Hop sozialisiert. Irgendwie war das für mich immer der nähere Zugang zu der Musik. Es sagen auch viele, die im Business sind: Deutschrap ist doch am Boomen, ihr legt euch doch Steine in den Weg. Da bin ich allen in der Band total dankbar, dass sie so hinter meiner Idee und meiner Art, das zu machen, stehen - weil’s für mich einfach der natürliche Approach ist.

Deine Familie kommt zum Teil aus den USA?
Fritz Fisherman: Mein Opa ist Flüchtling, und es sind viele aus der Familie nach und während des Zweiten Weltkriegs in die USA gegangen. Ursprünglich sind es deutsche Auswanderer.

Dann kann ich mir die Frage sparen, woher du den lässigen akzentfreien Flow hast?
Fritz Fisherman: (Lacht) Ja, daher! Und von der Schule natürlich. Mein Basketballtrainer in der Grundschule, ein amerikanischer GI, der hier stationiert war, hat mir immer Mix-Tapes auf CD gebrannt, und da war so D’Angelo und so Zeugs drauf, und das habe ich dann immer imitiert.



Mir wurde erzählt, Ferge X Fisherman seien teilweise aus Hauzenberg in der Passauer Gegend Stimmt das?
Fritz Fisherman: Ja das stimmt! Tatsächlich von uns Musikern keiner, aber einer, der einen extrem großen Teil dazu beiträgt, dass es uns gibt und viel vorangeht. Das ist der Johannes, mein ehemaliger Mitbewohner und einer meiner besten Freunde, der hat bei uns das Booking und das Management übernommen und ist der Mann, der hinter uns so die Fäden zieht. Der kommt da her, und deswegen ist unsere GbR auch in Hauzenberg angemeldet, weil er derjenige war, der sich damals um die ganzen rechtlichen Sachen gekümmert hat. Deswegen ist der Firmensitz von Ferge X Fisherman GbR in Hauzenberg.

Ferge X Fisherman ist im Kern ein Zwei-Mann-Projekt aus DJ Ferge und Rapper Fritz Fisherman. Auf der Bühne spielt ihr zu sechst mit den Lakesideboys. Und auf dem Album hört man Schlagzeug, Bass, Klavier, Trompete, Saxofon, Hammond-Orgel, E-Gitarre, Gospel-Background-Chöre, Sängerin Ki'Luanda singt die Soulnummer "Stumblin". Wie viele seid ihr in Wahrheit?
Fritz Fisherman: Das ist ne spannende Frage. Es sind tatsächlich am kreativen Prozess mehr beteiligt als nur wir beide. Das Fundament wird gelegt von Ferge und mir - und dann haben wir das Privileg, mit der Band Lakesideboys zusammenzuarbeiten, und mit Sängerinnen wie Ki’Luanda, so dass wir unsere Vorstellungen zu einer noch größeren Produktion machen können. Das fühlt sich dann immer noch wie ein Ferge-Fisherman-Projekt an, das aber ohne die anderen nicht die Qualität hätte, die es dann hat.

Wie läuft der Weg von der Skizze zur Live-Produktion?
Fritz Fisherman: Die Skizzen beginnen primär bei Luca mit vielen Samples als klassisches Hip-Hop-Element, klassischen Hip-Hop-Beats. Dann kommend die Jungs dazu, und wir merken: Wir wollen ausbrechen, wir wollen zum Beispiel Samples ersetzen durch echte Instrumente. Für die Live-Umsetzung macht die Band ganz, ganz viel. Das sind alles ausgebildete Musiker, die wissen noch mal ganz anders, was live funktioniert. Da sind dann auch nicht mehr Lucas und meine Ideen vorrangig - das ist ein komplett gleichrangiger Austausch. Ich glaube, bei uns kann man auch nicht von einem Bandleader reden.



Die ersten beiden der 12 Tracks des Albums klingen live eingespielt. Wann und wo habt ihr was aufgenommen?
Fritz Fisherman: Im ersten Song haben wir versucht, die elektronischen Elemente sehr zurückzunehmen, weil wir die Geschichte erzählen wollten von einem Protagonisten, der auf der Bühne gerade seinen letzten Song spielt, aber die Leute sind nicht so aufmerksam und reden - wenn man das hat, ist es meistens eine sehr zähe Show -, und nach der Show kommt zwar ein bisschen Applaus, fast schon ein bisschen höflich, aber keine Zugabe-Rufe oder Sonstiges. Das ist der Ausgangspunkt unserer Geschichte, wir zeigen, dass der Künstler ist nicht wirklich an der Stelle, an der er gerne sein wollen würde. Dann geht er von der Bühne ins Backstage. Darum gibt es diese Livegeräusche, tatsächlich haben wir aber alle Songs im Studio aufgenommen, auch die ersten beiden, wir haben sie nur als live "getarnt".

Das Konzept ist bei Ferge X Fisherman nicht ganz unwichtig: Auf der EP von 2018 wart ihr "Gone Fishing", zwei Jahre später seid ihr beim Debütalbum "Blinded By The Neon": Was steckt da dahinter - ein Wechsel ins Urbane oder dieselbe Haltung, sich auch mal rauszunehmen?
Fritz Fisherman: Es ist tatsächlich eine ähnliche Haltung, aber die Platte findet in einem komplett anderen Umfeld statt. Auf der ersten Platte war es der Protagonist, der in die Natur geht und diese ganzen Erkenntnisse aus diesem Erlebnis zieht. Die zweite Platte spielt im urbanen Umfeld und beschäftigt sich mit en ganzen Zweifeln und Problemen, die auftauchen können. Im Titel "Blinded By The Neon" steckt für mich viel drin, Neon ist ja das künstlichste und grellste Licht, das man kennt. Dass man von dieser künstlichen Seite des Showbusiness, aber auch von der Gesellschaft, von diesem ganzen Unechten geblendet sein kann und sich selbst darin verliert, das wird viel auf der Platte thematisiert. Und der Titel ist ein Tom-Waits-Zitat, das gut gepasst hat, weil es sich ein bisschen durch die ganze Platte zieht.

Ist dieses Geblendetwerden ein Thema, das euch wirklich bewegt, oder ist das in erster Linie Setting für ein Album?
Fritz Fisherman: Teils, teils. Der Charakter ist aus der Ich-Perspektive erzählt, was nicht unbedingt bedeutet, dass das ich als Privatperson bin, aber natürlich viel von mir als Privatperson drinsteckt. Es gibt zum Beispiel den Song "Role": Ich finde es manchmal schwierig, als jemand erkannt zu werden, der man aber nur zu Teilen ist. Die Rolle ist dann: "Das ist der Rapper von …" Und dann den Erwartungen gerecht zu werden, die Leute an einen haben, aber gleichzeitig sich selber dabei wohlzufühlen, sich nicht auf diese Rolle zu reduzieren, und sich klarzumachen: Selbst wenn ich als Musiker scheitere, bin ich nicht weniger wichtig, das ist ja nur ein kleiner Aspekt von mir. Das sind so Dinge, die auf dem Album beleuchtet werden.



Wann und wo habt ihr die Songs für "Blinded By The Neon" aufgenommen?
Fritz Fisherman: Drei, vier Songs sind schon ein bisschen älter, und dann gibt es einen ganzen Schwung, den wie in den USA produziert haben. Wir haben voll das Glück: Mein Onkel hat ein kleines Haus in Kalifornien in den Bergen. Luca und ich sind da hingeflogen, und haben sieben oder acht der Songs dort aufgenommen. Die sind alle aus einem Guss. Und es gibt Songs, die ich eher als Ausreißer betrachten würde, zum Beispiel der letzte, der ist in Deutschland entstanden. Und ich hoffe, dass dadurch eine coole Varianz reinkommt, weil man zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Geschmäcker hatte.

Wie bitter ist das, dass es zum Debütalbum keine Releaseparty und erst mal keine Tour geben wird?
Fritz Fisherman: Es ist ein bisschen zwiegespalten. Für uns ist es schon bitter, weil wir ziemlich viel Investitionen und Arbeit in die Platte gesteckt haben - und das ohne Releasekonzert und Liveshows jetzt nicht so ins Rollen kommt, wie man sich das wünscht. Aber wir konnten diese Phase auch ganz gut nutzen, um online ein bisschen mehr zu machen. Also wir hoffen, dass wir das über unsere Online-Arbeit ein bisschen süßer schmecken lassen können, damit es nicht ganz so bitter ist.

Was habt ihr online gemacht?
Fritz Fisherman: Erst mal haben wir’s hingekriegt, unseren Onlineshop ordentlich zu machen. Wir hatten die Zeit, ein kleines Stop-Motion-Musikvideo zu machen, da konnte man entspannt kontaktfrei mit der Puppe drehen. Und dann haben wir noch einen Release-Stream vorbereitet, der ein bisschen fancyer wird als gewöhnlich.

Ihr hattet Livetermine geplant u.a. in Hamburg, Wien, München, aber auch im Alten Spital Viechtach und im Zeughaus Passau. Gibt‘s da schon genaue neue Termine?
Fritz Fisherman: In Österreich geht’s ja schon früher los mit bis zu 500 Besuchern ab August, da sehen wie, dass wir im Herbst Ersatztermine bekommen. Aber dadurch, dass wir aus Bayern kommen und hier die Nachfrage ein bisschen größer ist, wissen wir nicht, ab wann wir wieder planen können. Für Nürnberg, Regensburg und München gibt es Optionen im Herbst, und falls das noch nicht klappt, versuchen wir Termine im Frühling zu finden

BesetzungFritz Fisherman (Rap)
Ferge (DJ und Produzent)

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