Wenn eine lebensbedrohliche Situation für Polizeibeamte vorliegt – wie es in Grassau der Fall war – gibt es laut Jürgen Köhnlein, Landesvorsitzender der Deutsche Polizeigewerkschaft, nur zwei Optionen. „Flucht oder Schusswaffengebrauch“.
Mit Reizgas oder einem Schlagstock lassen sich Messerangreifer nicht überwältigen. Der Einsatz der Dienstwaffe sei alternativlos. Das zeige auch ein eigens dafür angefertigtes Lehrvideo der Polizei, das frei im Internet eingesehen werden kann. Darin wird auch deutlich: Für eine präzise Zielauswahl fehlt den Beamten in solchen Situationen schlicht die Zeit. Doch wie geht es nach der Schussabgabe weiter?
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Schütze ist erst einmal Beschuldigter
Jeder abgefeuerte Schuss veranlasst immer eine Ermittlung, erklärt Köhnlein. In denen ist der Schütze zunächst einmal Beschuldigter. Eine nicht beteiligte Kriminalpolizeiinspektion befragt Zeugen und untersucht den Ereignisort. „Uns ist wichtig, dass das professionell abläuft und ein Richter danach fundiert entscheiden kann, ob der Schusswaffengebrauch verhältnismäßig war.“
Darüber hinaus werden alle beteiligten Beamten – nicht nur der Schütze – danach auch psychologisch betreut. Ein polizeiinternes Netzwerk aus Polizeilichem Sozialen Dienst, Sozialpädagogen an jedem Präsidium oder eigens geschulten Dienststellenleitern begleitet die Beamten durch diese Zeit. „Das Hilfsangebot in unserem Netzwerk ist sehr groß“, sagt Köhnlein. Zudem sei es durchaus unterschiedlich, wie Betroffene damit umgehen.
Individuelle Betreuung für die Beamten
Einigen falle die Decke zu Hause auf den Kopf und sie wollen nach wenigen freigestellten Tagen zurück in den Dienst, wenn auch vorerst nur geschützt im Inneren Dienst. Andere entwickeln eine posttraumatische Belastungsstörung und benötigen längerfristige Therapieangebote. Dies abzuwägen ist Aufgabe der Dienststellenleitung und werde individuell auf den betroffenen Beamten zugeschnitten.
Steigende Zahl von Extremsituationen
Laut Köhnlein nehmen in den letzten Jahren die Fälle zu, in denen „das polizeiliche Gegenüber in einer psychischen Ausnahmesituation“ ist. Darauf habe man sich durch die Überarbeitung von Einsatztaktiken und einer entsprechenden Ausbildung vorbereitet.
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