Darum musste „Stopsl“ sterben
Immer mehr Fälle von Giftköder-Attacken auf Haustiere: Tierschutzbund alarmiert

19.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:57 Uhr

Auf qualvolle Art und Weise stirbt die Katze Stopsl – hier ein Symbolbild – im April in der Gemeinde Konzell (Landkreis Straubing-Bogen). Die wahrscheinliche Ursache: Rattengift. Dass sich solche Fälle in Bayern häufen, ruft den Tierschutzbund und auch die Polizei auf den Plan. −Foto: dpa

Auf qualvolle Art und Weise stirbt die Katze Stopsl in der Gemeinde Konzell (Landkreis Straubing-Bogen). Die wahrscheinliche Ursache: Rattengift. Ob Absicht oder nicht – solche Fälle häufen sich in Bayern. Das ruft den Tierschutzbund und auch die Polizei auf den Plan.



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Maximilian Kerscher wühlt es immer noch merklich auf, wenn er den qualvollen Tod seiner Katze „Stopsl“ schildert. „An ‚Stopsl‘ hing mein ganzes Herz“, sagt er am Telefon. Vor sieben Jahren hatte Kerscher die damals etwa zwei Jahre alte Katze aufgenommen. Erst vergangenes Jahr hatte er sie mit Rettungshunden suchen lassen und schließlich gefunden, nachdem sie im Hochsommer acht Tage lang auf einem Baum festgesessen war. Danach päppelte er sie wieder auf: „Sie war gesünder als jemals zuvor in ihrem Leben.“ Bis zum Abend des Karfreitags.

„Stopsl“ geht durch das Gift förmlich ein, bis er schließlich stirbt



Je später es wird, desto weniger frisst „Stopsl“. Am Samstagmorgen rührt sie gar nichts mehr an. Untypisch für die sonst lebhafte, fitte Katze, erzählt Kerscher. Deshalb bringt er sie zum Tierarzt. Dieser stellt Untertemperatur, Blutarmut, eine Flüssigkeitsansammlung im Bauch und Atemprobleme fest.

Zunächst scheint seine Behandlung anzuschlagen, doch am Ostermontag verschlechtert sich „Stopsls“ Zustand unter Aufsicht des Tierarztes in der Praxis dramatisch. Die Katze geht förmlich ein. Gegen 14 Uhr dann die Nachricht. Kerscher muss am Telefon kurz durchatmen. „Da hat der Tierarzt mir gesagt, dass ‚Stopsl‘ tot ist.“ Die wahrscheinliche Ursache: Rattengift.

Polizei sucht in Großeinsatz Giftköder



Solche Fälle, bei denen auch andere Tiere außer sogenannte „Schadnager“ an Rodentiziden verenden, häufen sich. Nach Angaben der Deutschen Presse Agentur wird in Bayern im Schnitt alle fünf Tage ein Tier vergiftet – und das sind nur die offiziell nachgewiesenen Fälle.

Mittlerweile ist das Thema so präsent, dass auch die Polizei regelmäßig Maßnahmen ergreift. So starteten die Präsidien Oberbayern Nord und Niederbayern erst Anfang Mai einen Großeinsatz im Bereich Schrobenhausen, um nach Giftködern zu suchen, da dort immer wieder Greifvögel vergiftet wurden. Sie sterben besonders häufig an solchen Ködern bzw. fressen Mäuse oder Ratten, die Rodentizide in sich tragen. Aber auch Wildtiere, Hunde oder eben Katzen sind betroffen.

Präsidentin des bayerischen Tierschutzbundes alarmiert



Ilona Wojahn, Präsidentin des bayerischen Tierschutzbundes, alarmiert das im Gespräch mit der Mediengruppe Bayern. Zwar kenne sie keine konkreten Zahlen, weil deren Erfassung äußerst schwierig sei, sagt sie. Doch „jeder Fall, bei dem ein Hund, eine Katze oder ein anderes Tier durch Köder vergiftet oder verletzt werden, ist eine Tragödie – ganz besonders für die Tierhalter, die dahinter stehen“.

Kerscher erstattete Anzeige bei der Polizei



So wie für Maximilian Kerscher. Er lebt auf einem Einödhof in Scheibelsried nahe der Gemeinde Konzell (Landkreis Straubing-Bogen) – mit seinen Katzen. Alle sind Freigänger, „Stopsl“ und seine Mutter liefen meistens in Richtung der weiter entfernten Nachbarhöfe. Kerscher glaubt, dass „Stopsl“ dort einen Köder oder eine vergiftete Maus gefressen hat. Er selbst verwende kein Rattengift. Einen Nachbarn habe er auch mit seiner Vermutung konfrontiert, doch der stritt alles ab. Deshalb erstattete er Anzeige gegen Unbekannt, sagt Kerscher.

Ihm geht es aber ohnehin nicht primär darum, dass irgendjemand dafür bestraft wird. Vielmehr will er auf die Thematik aufmerksam machen. Denen, die solche Rodentizide – womöglich auch ohne böse Absichten – einsetzen, verdeutlichen, was sie anrichten können. Zumal sie sich damit in den meisten Fällen strafbar machen.

Privatpersonen dürfen kein Rattengift kaufen oder benutzen



In Deutschland sind die hochgiftigen Mittel laut Umweltbundesamt trotz der Umweltrisiken und der Gefahr der Vergiftung anderer Tiere aufgrund des Infektionsschutzes zwar zugelassen. „Grundsätzlich gilt aber: Eine nicht sachkundige Person darf und sollte nicht mit Gift hantieren“, erklärt Ilona Wojahn. „Privatpersonen dürfen die meisten Rodentizide weder erwerben noch anwenden. Dies ist ausschließlich erfahrenen Schädlingsbekämpfern vorbehalten.“

Doch selbst das hält die Präsidentin des bayerischen Tierschutzbundes für bedenklich: Denn der Gifteinsatz verursacht bei den Tieren „Schmerzen, Leiden und Schäden“, sagt Wojahn. „Aus Tierschutzsicht ist deshalb jede Bekämpfungsmethode abzulehnen, die allein darauf setzt, Mäuse und Ratten zu töten.“ Zumal es auch, so ergänzt sie, „nicht zielführend ist, da neue Tiere zuwandern und die frei gewordenen Plätze einnehmen“.

Tierschutzbund fordert ein Gesamtkonzept



Stattdessen fordert sie ein Gesamtkonzept mit einem „integrierten Management, das sich nicht nur den bestehenden Problemen, sondern vor allem den Ursachen des Befalls zuwendet“. Denn Fakt ist: „Letale Methoden müssen stets das letzte Mittel sein“, betont Wojahn. Um den Tieren – von der Maus bis zur Katze –, aber auch den Menschen viel Leid zu ersparen.

Alternativen zum Rattengift



Maximilian Kerscher hat jetzt nur noch drei Katzen. „Stopsls“ Mutter schaut er jeden Tag vom Fenster aus zu, wenn sie wieder in die Richtung läuft, wo sich „Stopsl“ wahrscheinlich vergiftet hat und so auf qualvolle Art und Weise starb. „Die Sorge, dass nun ‚Stopsls Mutter‘ das gleiche passiert, zerfrisst einen“, sagt Kerscher. „Es wäre so wichtig, dass die, die sich nicht damit auskennen, die Finger vom Rattengift lassen. Denn es gibt ja Alternativen dazu.“

− dpa