Der Aichacher Friedrich Pürner sitzt für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Europaparlament. Der Anfangszauber der neuen Partei scheint derzeit aber verloren zu gehen. Hinter den Kulissen rumort es. Pürner gibt Einblicke in das BSW, den Umgang mit Kritikern und seine Zukunftspläne.
Herr Pürner, auf Ihrem X-Account und in mehreren Medienberichten war zuletzt zu lesen, Sie würden über einen Austritt aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nachdenken. Warum?
Pürner: Seit einem Jahr schaue ich mir nun das Agieren des BSW an. Ich erkenne, dass das BSW im Inneren anders handelt, als es nach außen spricht. Statt Meinungsfreiheit gibt es Maulkorb. Das Verhalten einiger Verantwortlicher ist autoritär und demokratische Vorgänge beziehungsweise Strukturen sind einigen ein Dorn im Auge. Das BSW klagt andere wegen Vetternwirtschaft an, pflegt Selbige aber innerhalb der Partei. Da wenig Bereitschaft zu Veränderungen besteht, denke ich über einen Austritt nach.
Was läuft Ihrer Ansicht nach schief beim BSW?
Pürner: Es sind zu viele Ex-Linke im BSW, die weiterhin agieren wie in ihrer ehemaligen Partei. Das bremst unsere Vision. Das verhindert eine echte „Partei-Innovation“. Echte Einstellungsänderungen und ein Ausbrechen aus bisherigen Gepflogenheiten haben Seltenheitswert. Viele wollten von der Popularität von Sahra Wagenknecht profitieren. Sie sind untereinander sehr gut vernetzt, bilden Seilschaften und verteilen viele Posten, Ämter und Listenplätze untereinander. Für Politik-Neulinge, die fachliche Kompetenz haben und frischen Wind bringen könnten, stehen die Chancen schlecht. So ist keine Veränderung möglich. Das passt eben nicht zu einer links-liberalen Partei mit transparenten und demokratischen Strukturen.
Sie sind als Kritiker der Corona-Maßnahmen deutschlandweit bekannt geworden. Als Gesundheitsamtsleiter in Aichach stellten Sie politische Entscheidungen in Frage und verloren Ihren Job. Auch damals hatte man Ihnen vorgeworfen, öffentlich Kritik zu üben statt intern vorzubringen. Was sagen Sie dazu? Haben Sie nun ein Déjà-vu?
Pürner: Das ist der Fluch des Kritikers. Kritiker werden nie wohl gelitten werden. Im BSW lässt man keine Kritik zu. Sie stößt auf taube Ohren. Unbeteiligte und Außenstehende wissen nicht, wie oft interne Klärungsversuche ohne Wirkung blieben. Dennoch ist der erste Reflex vieler, zu sagen, dass es besser intern angesprochen werden sollte. Ich bin mit meiner Kritik auch nicht allein. Viele Mitglieder und Unterstützer haben diese Erfahrung machen müssen. Da ich nun ein Mandat bekleide, sehe ich es auch als meine Aufgabe, den Ungehörten und wenig bekannten Unterstützern und Mitgliedern eine Stimme zu geben. Viele sind sehr unzufrieden. Ich übe Kritik, um auf Probleme aufmerksam zu machen, damit wir nicht blind in Richtung Abgrund laufen, sondern kehrtmachen und unsere Werte auch intern leben. Kritik als Angriff zu werten ist rückschrittlich.
Richtet sich Ihre Kritik auch gegen Sahra Wagenknecht? Ihr wird ein autoritärer Führungsstil nachgesagt und vorgehalten. Es würde ein Personenkult rund um ihre Person veranstaltet, auch weil die Partei ihren Namen trägt. Pürner: Nein. Meine Kritik richtet sich gegen bestimmte Strukturen und Personen, die diese Strukturen hegen und pflegen. Diese Personen stehen Sahra Wagenknecht sehr nahe. Für mich ist klar, dass sie falsche Berater beziehungsweise „Vertraute“ um sich herum hat. Sahra Wagenknecht ist eine sehr kluge Frau. Belesen, sehr gebildet. Ihre Menschenkenntnis ist meiner Ansicht nach weniger gut ausgeprägt.
In der Partei rumort es also gewaltig. Wie reagiert Sahra Wagenknecht in einer solchen Situation? Ruft Sie bei Ihnen an und versucht Sie zurückzupfeifen? Oder hält sie zu Ihnen?
Pürner: Sahra Wagenknecht ruft nicht an oder versucht mich zurückzupfeifen. Im Gegenteil. Bei meiner internen Kritik ist sie oft aufgeschlossen und verständnisvoll gewesen. Sie hat versucht, bestimmte Dinge besser zu machen, ist damit jedoch nicht durchgedrungen. Ihr nahes Partei-Umfeld scheint hier eher das Problem zu sein.
Wie geht es nun weiter für Sie? Sehen wir Sie ab April bei der AfD, wie ein namentlich nicht genannter bayerischer BSW-Politiker der Bild gegenüber sagte? Sie seien sauer, weil Ihre Favoritin keinen Listenplatz in Bayern bekommen habe. . .
Pürner: Wer so einen Unsinn erzählt, weiß ich nicht. Ich hatte keine Favoritin. Wenn jemand eine Favoritin hatte, dann war es definitiv der Landesvorstandsvorsitzende (Klaus Ernst, Anm. d. Red.). Weshalb man nun meine angebliche Favoritin in die Querdenker-Ecke schiebt und mich in der AfD verortet, kann ich Ihnen nicht sagen. Wahrscheinlich wollte halt mal jemand in die Zeitung – natürlich ohne Namen, denn auch Feigheit und Niederträchtigkeit ist bei einigen hier ein Markenzeichen.
Sind Sie enttäuscht vom BSW und von der Politik allgemein oder weckt das nur Ihren Kampfgeist?
Pürner: Ach, schwer zu sagen, wohin das Pendel schwingt. Natürlich bin ich enttäuscht, denn das BSW wollte anders als andere Parteien sein. Auch deshalb bin ich ins BSW eingetreten. Andererseits sehe ich durch Mails und Nachrichten, die mich erreichen, dass es da draußen viele Menschen gibt, die möchten, dass ich weiter für sie eintrete.
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