Zu einem Notfall-Einsatz wurden die Inspektoren des Münchner Tierschutzvereins am vergangenen Freitag gerufen. Ein Kaminkehrer hatte die Sondereinheit alarmiert, nachdem er in einer Münchner Doppelhaushälfte insgesamt 13 Haustiere entdeckte. Überall war Tierkot in der Wohnung, die Tiere in einem schlechten Zustand.
Es ist der erste so schwere Fall in diesem Jahr, sagt die Teamleiterin des Münchner Tierschutzvereins, Lydia Schübel, im Gespräch mit der Mediengruppe Bayern. Am Freitagnachmittag waren Inspektoren, die eng mit dem Veterinäramt zusammenarbeiten, zu einer Wohnung in München geschickt worden. Ein Schonsteinfeger hatte bei einer Routineuntersuchung den Zustand der Wohnung bemerkt und die Behörde verständigt. Was die Einsatzkräfte dort erwartete, werden sie lange nicht vergessen.
Das könnte Sie auch interessieren: Krankhaftes Sammeln von Katzen, Hunden, Kleintieren: Es gibt immer mehr Fälle von „Animal Hoarding“
Verwahrloste Tiere zusammen mit dem Halter befreit
Acht Katzen und fünf Hunde entdeckten die Inspektoren an der gemeldeten Adresse. Für mindestens zehn weitere Katzen, vermutlich aber mehr, kam jede Hilfe zu spät. Die Retter konnten nur noch Kadaver bergen. Die Tiere lebten in absoluter Verwahrlosung. Der Tierhalter, der in der Wohnung mit den Tieren lebte, sei laut den Tierschützern an einer schweren Depression erkrankt. Er habe die Tragweite seines Handelns und des Leidens nicht mehr erkennen können. Auch ihn konnten die Inspektoren aus der verdreckten Wohnung befreien.
Pudel in Keller in Box gehalten
In einem Keller, dessen Boden von Kot und Futterschalen bedeckt war, entdeckten die Retter einen schwarzen Pudel in einer Box. Wie Schübel berichtet, habe man zuerst vermutet, dass das Tier so schwer verletzt sei, dass es nicht laufen könne. Doch es war sein verfilztes Fell, das den jungen Pudel daran hinderte, laufen zu können. Zumindest für diesen Pudel gibt es bereits ein glückliches Ende. Der Pudel, der immer noch in einer Tierklinik behandelt wird, wurde laut Schübel von einer Tierärztin adoptiert.
Tierheim päppelt Fund-Tiere wieder auf
Im Wohnküchenbereich fanden die Retter derweil drei weitere Pudel und eine alte Chihuahua-Dame, die auf 16 Jahre geschätzt wird. Wasser war laut den Inspektoren nirgendwo zu sehen. Der Chihuahua wurde zusammen mit sieben lebenden Perserkatzen zur Pflege in das Tierheim München gebracht. Die Krallen waren tief eingewachsen, die Katzen extrem verfilzt, sodass sie teilweise unter schweren Entzündungen litten. Drei Pudel und eine Katze wurden anderweitig untergebracht. Wie es mit den Tieren nach ihrer Genesung weitergeht und ob sie in neue Familien vermittelt werden können, muss vom zuständigen Amt erst noch entschieden werden.
Selten so extreme Fälle
Wie Teamleiterin Schübel im Gespräch mit der Mediengruppe Bayern erzählt, seien solche extremen Fälle die Ausnahme. Inspektoren dürfen die Tiere nur nach Vorgabe des Veterinäramtes, für das sie zuarbeiten, beschlagnahmen. In ihren acht Jahren als Teamleiterin kann sich Schüberl nur an fünf ähnlich schwere Fälle erinnern. Jeden Tag rücken die sechs Münchner Inspektoren als Art Außendienstler aus. Ein Konzept, das womöglich bayernweit einzigartig ist. Die Einsatzkräfte gehen meist telefonischen Meldungen nach. In 70 Prozent der Fälle seien die eingegangenen Meldungen nichtig. Beispielsweise wenn jemand meint, der Hund des Nachbars dürfe nicht oft genug raus. Dann versuchen die Inspektoren, ins Gespräch zu kommen. Es sei immer eine Einzelfallentscheidung, wie man vorgeht, erklärt die Teamleiterin.
Dringender Appell
In nur 10 Prozent der Fälle müssen die Inspektoren auch das Veterinäramt einschalten. Viele extreme Fälle wie der in München gehen den Inspektoren nahe. „Wir sprechen viel darüber“, sagt Schübel. Auch solche Szenen aushalten zu können, sei Voraussetzung, um den Job ausüben zu können. Der Tierschutzverein appelliert: „Alle, die Zustände bemerken, welche auf eine Notlage von Mensch oder Tier hinweisen, aus tiefstem Herzen: Schauen Sie nicht weg, bieten Sie Hilfe an, greifen Sie ein, melden Sie Missstände, denn vielleicht braucht jemand Unterstützung.“
Artikel kommentieren