Immer wieder sorgen Schlagzeilen für Entsetzen, dass Jugendliche, ja selbst Kinder brutale Gewalttaten begehen. Die Täter machen zwar nur einen Bruchteil aller Minderjährigen aus. Aber es werden mehr, die Taten brutaler. Grund für die Stadt München, genauer hinzusehen.
Tritte und Schläge, Messerstechereien bis hin zu Mord: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat sich besorgt über die Zunahme und die steigende Brutalität von Gewalttaten durch Kinder und Jugendliche gezeigt. «Bedenklich ist, dass die Täterinnen und Täter immer jünger werden, dass die Zahl der Raubdelikte dramatisch zunimmt, dass sich die Jugendlichen falsche Vorbilder suchen», sagte Reiter am Freitag in München. Trotz einer Vielzahl von Präventionsprojekten hätten sich die Verhältnisse gerade auch durch die Corona-Pandemie zuletzt verschärft, sagte Reiter mit Blick auf teils erschreckende Gewaltausbrüche von Minderjährigen.
Um 29 Prozent war die Zahl der Gewalttaten in der Landeshauptstadt im vergangenen Jahr auf 4500 in die Höhe geschnellt - nach fast zehn Jahren des Rückgangs. «Wir hoffen, dass das keine Trendwende ist, aber es sind zumindest Warnsignale, die uns mit Sorge umtreiben», sagte Münchens Polizeipräsident Thomas Hampel. Zumal das Alter der zum Großteil männlichen Täter immer niedriger werde: Waren im Vor-Corona-Jahr 2019 noch knapp 14 Prozent aller Gewalttäter minderjährig, waren es 2022 bereits etwa 20 Prozent.
Polizei und Stadt legen schon lange den Fokus auf meist niedrigschwellige Präventionsprojekte, mehrere Millionen Euro lässt sich die Stadt das im Jahr kosten. Und dennoch: «Wir müssen da noch mehr tun als bisher», betonte Reiter. Am Geld werde es dabei nicht scheitern.
Auch Hampel zeigte sich von der Notwendigkeit früher und intensiver Präventionsarbeit überzeugt: «Die Hardcorestraftäter, die zu allem entschlossen sind, die werden wir mit reiner Prävention nicht erreichen.» Doch die Mitläufer, die gewalttätiges Verhalten cool fänden und «auch Gangster werden» wollten, die könne man durch Prävention, aber auch Präsenz der Polizeikräfte durchaus noch davon abhalten, auf die schiefe Bahn zu geraten.
Bei der Prävention müsse Medienkompetenz künftig im Vordergrund stehen, betonten Hampel wie Reiter. Denn ein recht neues Phänomen sei, dass nicht nur auf sozialen Medien etwa durch Cybermobbing Gewalt ausgeübt werde, sondern dass selbst schwerste Verbrechen vor allem deshalb begangen würden, um sich damit im Netz zu brüsten.
«Die gerieren sich als Gangster und machen auf dicke Hose», schilderte Hampel. Dabei fielen vermehrt alte Hemmschwellen. «Auch früher hat es immer Schulhofschlägereien gegeben. Aber bei der roten Linie, wenn einer am Boden liegt, war in den meisten Fällen Schluss.»
Bei den Kindern und Jugendlichen spiegele sich dabei nur ein Phänomen der Erwachsenenwelt, betonte Reiter. «Wir erleben eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung mit zunehmender Brutalität in der Sprache, zunehmender Brutalität in den Kommentaren bei Social Media. Und aus Sprache, aus Ankündigungen werden immer öfter auch Taten.»
Bundesweit, aber auch in Bayern und der Landeshauptstadt selbst hatten in der jüngeren Vergangenheit wiederholt selbst schwerste Straftaten Minderjähriger für Entsetzen gesorgt. So wurde in München gerade ein Jugendlicher zu sieben Jahren Haft verurteilt, der als 16-Jähriger einen 18-Jährigen erstochen hatte. Im fränkischen Lohr am Main soll ein 14-Jähriger im September einen Gleichaltrigen erschossen haben, und in einem Kinderheim im oberfränkischen Wunsiedel tötete im Frühjahr wohl ein Elfjähriger eine Zehnjährige.
Dabei gelte im Grundsatz: «Ein großer Teil der schweren und wiederholten Taten wird durch eine kleine Gruppe von Intensivtätern und aus Gruppen heraus verübt», erläuterte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Freitag. Besonders jugendliche Intensivtäter müssten deshalb frühzeitig gestoppt werden.
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