„Ein Licht im Advent“
Neue Kraft für den harten Kriegsalltag: PNP-Spendenaktion erzielt mehr als 680.000 Euro!

03.02.2023 | Stand 12.10.2023, 10:15 Uhr

„Eine großartige Summe“: Über die am Ende mehr als 680.000 Euro an Spenden zugunsten der CARE-Hilfe in der Ukraine freuen sich Verlegerin Angelika Diekmann (links), Schirmherrin Natalia Yegorova und CARE-Generalsekretär Karl-Otto Zentel. −Foto: Eva Fischl

Dem Krisenjahr 2022 zum Trotz haben die Leser der Passauer Neuen Presse eines der besten Ergebnisse in der 30-jährigen Geschichte der Weihnachtsaktion „Ein Licht im Advent“ erzielt: 678.000 Euro standen auf dem symbolischen Spendenscheck, den Verlegerin Angelika Diekmann nun an die Hilfsorganisation CARE e.V. und Schirmherrin Natalia Yegorova (frühere Klitschko) in Hamburg überreichte.

Alle Berichte und Hintergründe zur Spendenaktion finden Sie auf unserer Sonderseite.

Seit der Übergabe ist der Spendenstand noch weiter nach oben geklettert, und so fließen jetzt mehr als 680.000 Euro in CARE-Projekte in der Ukraine.

Welche Nöte die Helfer derzeit haben und wie die Spenden nun verwendet werden, lesen Sie hier:

Yaroslav Korniienko sieht müde aus, als er diese Woche im Zoom-Interview mit der Heimatzeitung am Bildschirm erscheint. Der 30-Jährige koordiniert für Vostok-SOS, einem der wichtigsten Partner der Hilfsorganisation CARE e.V. in der Ukraine, die Evakuierung von Menschen aus befreiten Kampfgebieten im Osten und Süden des Landes. Müder als bei unserem letzten Gespräch im Dezember. Seine Haut wirkt blasser, die Augenringe sind tiefer geworden, die Schläfen des 30-Jährigen grauer.

Hinter dem Helfer liegen harte Wochen. Seine Teams sind seit elf Monaten überall im Einsatz. Donezk. Cherson. Bachmut. Odessa. Die Helfer wagen sich in zerbombte und verminte Städte und Dörfer vor, bringen Mütter, Kinder, alte, kranke und behinderte Menschen in Sicherheit und riskieren dabei oft ihr eigenes Leben.

Nach fast einem Jahr Krieg schwinden die Kräfte



Von der Millionenstadt Dnipro aus steuert Korniienko die Hilfe. Mitte Januar schlugen auch dort russische Raketen ein. „Dnipro stand unter Schock“, erzählt Yaroslav Korniienko. „Ein großer Block wurde zerbombt, unser Team blieb heil, aber jeder kennt jemanden, der betroffen ist.“ Nichts scheint mehr sicher. „Wir müssen auf alles vorbereitet sein – je nachdem, wo angegriffen wird“, sagt er. Doch nach fast einem Jahr Krieg schwinden die Kräfte. „Auch viele unserer Leute sind ausgebrannt“, sagt Korniienko. „Wir versuchen uns gegenseitig zu stützen und zu motivieren. Manchmal braucht man nur jemanden, der einem zuhört oder auch mal einen Witz macht.“

Dass der Kriegsalltag in der Ukraine immer härter wird, bestätigt auch Dr. Imke Hansen. Die deutsche Historikerin und Traumatherapeutin arbeitet wie Korniienko für Vostok-SOS und trainiert vor allem humanitäre Helfer und Betreuer von Kindern. „Das Wort ,Frühlingsoffensive‘ ist in aller Munde“, sagt Hansen. „Es herrscht große Unsicherheit, wie es weitergehen wird. Ich spüre noch viel Mut und Zuversicht, aber Russland spekuliert darauf, die Ukraine zu zermürben.“

Kinder wechselten von Corona- in Kriegsmodus



Die Spenden, kündigt CARE-Generalsekretär Karl-Otto Zentel an, sollen zu einem Gutteil in die psychologische und psychosoziale Unterstützung der Bevölkerung fließen. Traumatherapeutin Hansen sieht den Bedarf „an allen Ecken und Enden“. Es gelte nun, jene Menschen zu stabilisieren, die sich für andere einsetzen. „Die humanitäre Hilfe wird komplett mit Kräften aus der Zivilgesellschaft heraus bestritten. Wir müssen aufpassen, dass der ukrainischen Bevölkerung nicht die Puste ausgeht.“ Neben den Helfern müsse man sich auch um Millionen Binnenflüchtlinge kümmern. Besonderen Schutz bräuchten dabei Frauen und Kinder – insbesondere Teenager, die nach den sozialen Entbehrungen während der Corona-Zeit nahtlos in ein Kriegsszenario getaumelt seien.

CARE-Chef Karl-Otto Zentel zitiert Zahlen aus dem ukrainischen Gesundheitsministerium, wonach die Nachfrage nach psychologischer Hilfe seit Kriegsausbruch sprunghaft gestiegen sei. „Der Bedarf ist riesengroß, aber die Möglichkeiten sind sehr begrenzt“, sagt Zentel. Mit den Spenden will CARE deshalb weitere „safe spaces“ (sichere Orte) in der Ukraine schaffen, an denen Frauen und Kinder mit professioneller Hilfe ihre Kriegstraumata verarbeiten können, lernen und sich weiterbilden dürfen, um sich neue Perspektiven aufzubauen.

Dauerzustand mit offenem Ende



Genau diese fehlen Hunderttausenden Flüchtlingen, die vor allem im Westen des Landes Zuflucht gefunden haben. Ihre Familien wurden auseinandergerissen, manchen ihrer Heimatorte gibt es nicht mehr. Was nach der Flucht als kurze Notlösung geplant war, ist nun Dauerzustand mit offenem Ende. „Gerade in diesem Punkt können Trauma und Verzweiflung ganz stark werden“, sagt Wissenschaftlerin Imke Hansen. „Die Menschen sollen sich ein neues Leben aufbauen, aber ihnen fehlt schlicht die Kraft dazu. Weil das letzte Jahr schon so schlimm und verheerend war.“

In einer Unterkunft in Lviv, die von CARE unterstützt wird, lebt Eduard (49). Er floh mit seiner Frau aus der zerbombten Stadt Soledar aus der Region Donezk, überlebte einen Raketenangriff nur knapp in einem Erdloch. Eduard leidet an Tuberkulose, ist auf Medikamente und zusätzlichen Sauerstoff angewiesen. In seiner Heimatstadt gab es monatelang keine medizinische Hilfe. Ohne Not-Evakuierung hätte er vermutlich nicht überlebt. In Lviv wurde er sofort in ein Krankenhaus gebracht. Er erholt sich mühsam.

„Wir müssen die Hilfe am Laufen halten“



Millionen Ukrainer harren in den (ehemaligen) Frontgebieten aus. Eine Analyse des CARE-Nothilfeteams über die Lage im Osten des Landes bestätigt die immensen Schäden. In vielen Gebieten gebe es weder Wasser noch Strom. Teilweise seien bis zu 90 Prozent der Wohngebäude zerstört. Zahlreiche Gemeinden benötigen Winterhilfe. „Wir unterstützen die Menschen vor Ort mit Generatoren, Baumaterialien, Trinkwasser und Lebensmittel-Paketen“, erklärt Generalsekretär Karl-Otto Zentel. Außerdem will CARE mobile Teams in Regionen entsenden, in denen es keine medizinische Erstversorgung gibt.

In solchen Gebieten finanziert CARE auch Umsiedlungen mit, wie sie die Yaroslav Korniienko organisiert. „Minen und Blindgänger sind ein Riesenproblem in neu zugänglichen Gebieten“, sagt Zentel. „Die Helfer benötigen Schutzanzüge und Sicherheitstrainings. Immer wieder sterben Menschen durch Minen.“

Die Helfer werden einen langen Atem benötigen. „Es ist so viel zerstört. Selbst wenn der Krieg heute endet, wird bis zum nächsten Winter noch lange nicht alles wieder aufgebaut sein“, sagt Zentel. Yaroslav Korniienko kennt seine Mission: „Wir müssen die Hilfe am Laufen halten.“ So kräftezehrend es auch ist.