Nach langem Zögern
Dieselbetrugsprozess: Ex-Audi-Chef Stadler legt Geständnis ab

16.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:03 Uhr

Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des deutschen Automobilherstellers Audi. Foto: Lukas Barth/Reuters/Pool/dpa

Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler hat im Münchner Dieselbetrugsprozess ein Geständnis abgelegt. Damit räumt er ein, Fahrzeuge mit manipulierter Abgastechnik auch dann noch auf dem EU-Markt in den Handel gebracht zu haben, als der Skandal im Herbst 2015 längst aufgeflogen war – laut Vorwurf bis Anfang 2018. Stadler ist das erste Mitglied des Konzernvorstands, das vor Gericht den Betrug durch Unterlassen im Dieselskandal zugegeben hat.



Der 60-Jährige hatte bisher allerdings jede Verantwortung dafür vehement bestritten. Die Strafkammer machte ihm Ende März jedoch klar, dass sie ihn für schuldig hält und er ohne Geständnis mit einer Gefängnisstrafe rechnen muss.

Stadler ließ am Dienstag über seine Verteidigerin Ulrike Thole-Groll erklären, von den Softwaremanipulationen zwar „nicht gewusst, sie aber als möglich erkannt und billigend in Kauf genommen“ zu haben. Es hätte ein Mehr an Sorgfalt seinerseits bedurft.Es sei ihm als Vorstandschef nicht gelungen, die Krise im Konzern zu lösen. Trotz der Möglichkeit, hier einzugreifen, habe er dies unterlassen. Dies bedauere er sehr, sagte Thole-Groll im Namen ihres Mandanten. Mit einem knappen „Ja“ bestätigte der Ex-Audi-Chef die Richtigkeit der Einlassung seiner Anwältin.

Geldauflage von 1,1 Millionen Euro



Das Gericht hatte Stadler eine Freiheitsstrafe von maximal 18 bis 24 Monaten in Aussicht gestellt, falls er die verbliebenen Vorwürfe aus der Anklageschrift einräumt. Zusätzlich soll er eine Geldauflage von 1,1 Millionen Euro erhalten. Die Verteidigung hatte zuletzt noch um die finanziellen Modalitäten gefeilscht. Stadler hat sich seit dem Angebot des Gerichts bezüglich der Bewährungsstrafe fast zwei Monate Zeit genommen, darauf einzugehen. Die beiden anderen Angeklagten – der frühere Audi-Motorenchef und Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sowie der ehemalige Entwickler Giovanni P. – waren weniger zögerlich gewesen und hatten die verbliebenen Betrugsvorwürfe kurz darauf eingeräumt. Es geht darum, dass Autos mit Dieselmotor durch Abschaltvorrichtungen so manipuliert waren, dass sie auf dem Prüfstand gesetzliche Abgasgrenzwerte einhielten, nicht aber im Fahralltag auf der Straße. So wollte man den nachträglichen Einbau größerer Adblue-Tanks für die Abgasreinigung umgehen.

Die Beweislage gegen Stadler hatte zu Beginn des Prozesses im September 2020 recht dünn gewirkt. In den vergangenen mehr als zweieinhalb Jahren hatten sich dann aber die Hinweise zunehmend verdichtet, dass der Ex-Audi-Chef vermutlich weit eher über die Machenschaften bei der Audi AG Bescheid wusste, als er glauben machen wollte. Auch konzernintern war ihm vorgeworfen worden, seine Sorgfaltspflichten als Vorstandsmitglied in fahrlässiger Weise verletzt zu haben.

Prozess dauert bisher 168 Verhandlungstage



In dem seit nunmehr 168 Verhandlungstagen andauernden Verfahren geht es um illegale Abschaltvorrichtungen im Abgassystem von Dieselautos. Die Software sollte dafür sorgen, dass die Fahrzeuge auf der Testrolle alle gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte einhielt, während das im Straßenalltag nicht immer der Fall war. Die Staatsanwaltschaft hatte den Schaden anfangs auf bis zu 3,3 Milliarden Euro geschätzt, im Laufe des Prozesses war diese Summe auf 171 Millionen Euro zusammengeschrumpft. Auch etliche Vorwürfe aus der Anklageschrift fielen weg, so dass im Wesentlichen der Betrug übrig bleibt. Mit dem Geständnis des Ex-Audi-Chefs ist der Weg für eine rasche Beendigung des Mammutprozesses offen. Das Urteil könnte am 28. Juni gesprochen werden.