Abgabe nur an „Nahestehende“
Leser will krankem Gaimersheimer Niere spenden - Bürokratie macht das unmöglich

09.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:52 Uhr

Wenn menschliche Organe für eine Übertragung zur Verfügung stehen, muss es schnell gehen. In einer speziellen Transportbox kommen sie vom Spender auf direktem Weg zu geeigneten Empfängern. Fotos: Droese, Imago/Kasper, dpa

Das Schicksals eines Gaimersheimers (Landkreis Eichstätt), der schon lange auf eine neue Niere wartet, rührt unsere Leser. Einer von ihnen hat sich sogar als potenzieller Spender gemeldet. Lebendspenden sind hierzulande aber nur unter „nahestehenden Personen“ möglich.



Wer auf ein Spenderorgan wartet, muss sich oft viele Jahre lang gedulden. Unsere Zeitung hatte vor einer Woche beispielhaft von einem 52-jährigen Gaimersheimer berichtet: Er hat keine Nieren mehr und hängt seit rund acht Jahren in regelmäßigen Abständen an der Dialyse. Die Unsicherheit, ob oder wann der lange ersehnte Anruf mit der Aussicht auf eine Transplantation kommt, zehrt an seinen Nerven und bedeutet eine große Belastung. Nun meldete sich ein Leser zu Wort und fragte: Warum denn nicht eine Lebendorganspende? Er selbst habe die Blutgruppe 0, sei daher ideal dafür geeignet und bereit dazu. Doch so einfach geht das in Deutschland nicht, zeigt eine Nachfrage.

Mit seltener Blutgruppe 0 ein idealer Spender

In Deutschland gilt für Organspenden die Zustimmungslösung. Das heißt, jemand muss ausdrücklich seinen Willen bekundet haben, dass ihm nach seinem Tod Organe entnommen werden dürfen, um sie anderen einzupflanzen. Der Versuch in der Politik, hier eine Widerspruchslösung zu erreichen, die zunächst einmal jeden zum potenziellen Spender macht, war bekanntlich vor drei Jahren fehlgeschlagen. Aber „um eine Spenderniere zu bekommen, muss ja nicht unbedingt jemand anderes sterben und das Organspendegesetz geändert werden“, schrieb besagter Leser nach der Lektüre des Artikels über den Gaimersheimer Dialysepatienten in einer E-Mail. Er habe die seltene Blutgruppe 0 negativ und sei bestens geeignet, um als Spender anderen zu helfen. „Ich möchte mich daher informieren, ob ich eine Niere spenden könnte.“ Er würde auch ein Stück seiner Leber abgeben, erklärte er.

So erfreulich es ist, dass es noch Menschen wie diesen Mann gibt, die nicht nur an sich denken, hilft es hier doch nicht weiter. Denn in Deutschland sind solche Lebendorganspenden nach dem Transplantationsgesetz nur unter sehr strengen Vorgaben möglich, wohl auch, um dem Organhandel einen Riegel vorzuschieben.

Einer der wichtigsten Punkte besagt: Die Lebendspende einer Niere oder eines Leberteils ist „nur zulässig zum Zwecke der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen“. Mit anderen Worten: Wer zu Lebzeiten ein Organ abgeben möchte, kann das nicht an irgendwen tun, selbst wenn der Spender das ausdrücklich möchte und seine Werte ideal mit denen des Empfängers übereinstimmen.

Dreiköpfige Ethikkommission prüft jeden Fall



So ist es auch gängige Praxis an den Universitätskliniken, wie Manfred Stangl, Chirurgischer Leiter für Nierentransplantationen am Transplantationszentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München, auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte. „Ob alle Voraussetzungen für eine Lebendspende erfüllt sind, muss eine dreiköpfige Ethikkommission im Haus entscheiden. Sie setzt sich aus einem Arzt, einem Juristen und einer in psychologischen Dingen erfahrenen Person zusammen.“ Das Gremium bewerte, ob die Organübertragung zwischen zwei Lebenden ethisch vertretbar und medizinisch sinnvoll erscheint. „Und es darf zwischen den beiden absolut keine Abhängigkeit in irgendeiner Form bestehen.“ Sogenannte altruistische, also selbstlose und uneigennützige Organabgaben an Fremde seien in Deutschland zu Lebzeiten nicht erlaubt.

Nun hat das bayerische Gesundheitsministerium, wie berichtet, erst vorige Woche verkündet, sich noch einmal für die Widerspruchslösung bei der Organspende stark machen zu wollen. Der Münchner Transplantationsmediziner Stangl – er hat in seiner Karriere bisher um die 3000 Nieren verpflanzt – begrüßt diesen Vorstoß zwar. „Aber die Widerspruchslösung allein ist noch kein Allheilmittel. Um in Deutschland etwas zu ändern, muss man an weiteren Stellschrauben drehen“, findet er.

Zunehmende Überalterung Hindernis bei Organspende

In Österreich etwa, wo die Widerspruchslösung als die am meisten verbreitete Organspenderegelung in Europa gelte, „ist die Spendenzahl deshalb so hoch, weil jeder im Krankenhaus Verstorbene in der Regel obduziert wird“, sagt der Münchner Chirurg. Das erleichtere – zusätzlich zu den gesetzlichen Freigaben – eine Organentnahme. Man dürfe auch das Thema Überalterung nicht vernachlässigen, weil dadurch Herz, Lebern, Lungen oder Nieren oft nur mehr eingeschränkt nutzbar seien. Da müsse hierzulande noch einiges geschehen, um Lösungen zu finden – ein langwieriges Thema!

Vorerst ist für alle Betroffenen jedenfalls weiter Geduld angesagt. Denn „wer auf der Warteliste für ein postmortales Organ steht, kommt im Schnitt nach acht bis zehn Jahren zum Zug“, sagt der Transplantationsmediziner Stangl. Zumindest für unseren Gaimersheimer Patienten, der seit acht Jahren wartet, gibt es also Hoffnung, dass die Zeit der Unsicherheit vielleicht bald vorüber sein könnte.

DK