Oberlandesgericht Koblenz
Lauterbach-Entführung geplant: Prozess gegen Reichsbürger beginnt - Niederbayer angeklagt

13.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:11 Uhr

Karl Lauterbach hätte entführt werden sollen, danach sollte der Umsturz in Berlin erfolgen. Fünf Reichsbürger stehen deshalb am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Koblenz. −Foto: dpa

Mit Anschlägen auf die Stromversorgung und einer Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollen sie versucht haben, bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen: Ab Mittwoch stehen fünf mutmaßliche Reichsbürger in Koblenz vor Gericht, darunter ein Mann aus Niederbayern.



Die Anklage am Oberlandesgericht im rheinland-pfälzischen Koblenz wirft ihnen unter anderem die Gründung einer Terrororganisation und die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor. Zusammen sollen die vier Männer und eine Frau einen Hochverrat vorbereitet haben. Laut Ermittlungsergebnissen der Bundesanwaltschaft schloss sich die Gruppe spätestens im Januar 2022 zusammen, um durch Gewalt und unter Inkaufnahme von Todesopfern bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland auszulösen. Damit wollte die Gruppe die Demokratie beseitigen und die Staatsgewalt übernehmen.

Alle fünf sollen der Ideologie anhängen, laut der das 1918 untergegangene Deutsche Kaiserreich auf Grundlage der Verfassung von 1871 bis heute weiter existiert. Vor allem die weibliche Angeklagte Elisabeth R. soll diese Ideologie in der Gruppe geprägt haben. Sie habe auf eine rasche Umsetzung der Pläne gedrungen und wiederholt bestimmte Termine benannt.

Plan mit drei Stufen ausgearbeitet

Mit einem weiteren Angeklagten soll sie zum „administrativen Zweig“ der Gruppe gezählt haben. Die anderen drei Angeklagten sollen sich im operativen „militärischen Zweig“ eingebracht haben. Zusammen sollen sie einen dreistufigen Plan entworfen haben. Den Auftakt dazu sollten Anschläge auf die Stromversorgung bilden, die einen längeren bundesweiten Stromausfall verursachen sollten.

Anschließend sollte Gesundheitsminister Lauterbach laut Anklage bei einem bewaffneten Angriff entführt werden, wobei seine Leibwächter unter Umständen getötet werden sollten. Das dadurch entstehende Chaos habe die Gruppe nach eigener Vorstellung insgesamt nutzen wollen, um in Berlin eine „konstituierende Versammlung“ einzusetzen, die Regierung abzusetzen und eine „Führungsperson“ zu installieren.

Die Gruppe habe sich mehrere Monate lang in Chatgruppen sowie bei realen Treffen vernetzt und ausgetauscht. Gemeinsam sollen sie bereits konkrete Vorbereitungen für ihren Umsturzplan getroffen haben. Laut Anklage gab es unter anderem Verantwortliche für die Planung der Anschläge auf die Stromversorgung und die Entführung Lauterbachs. Zudem war geplant, mehrere Tonnen Waffen und Sprengstoff aus dem ehemaligen Jugoslawien zu besorgen.

Umsturz in Berlin geplant

Michael H. sei für die Inszenierung einer sogenannten False-Flag-Aktion unmittelbar vor Anberaumung der „konstituierenden Versammlung“ zuständig gewesen. Dabei habe ein Schauspieler in einer Fernsehlivesendung den amtierenden Bundeskanzler oder Bundespräsidenten imitieren und verlautbaren sollen, dass die Bundesregierung abgesetzt sei und wieder die Verfassung von 1871 gelte.

Einer der vier männlichen Angeklagten wurde nach dem Erwerb von zwei Sturmgewehren vom Typ AK-47 und vier Pistolen festgenommen. Vier Angeklagte, darunter die Frau, stuft die Bundesanwaltschaft als Rädelsführer ein. Razzien erfolgten in mehreren Bundesländern, auch in Bayern. Die Männer wurden im April 2022 festgenommen, die Frau im vergangenen Oktober. Bei dem Mann aus Bruckberg im Landkreis Landshut wurde so viel belastendes Material, dass die Polizei damals zu der Einschätzung kam, der Mann müsse einer der Rädelsführer der Verschwörung sein. Seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft. Das Gerichte setzte für den Prozess dutzende Termine bis Mitte Januar kommenden Jahres an.

Lauterbach will keine Zugeständnisse machen

Lauterbach selbst zeigte sich vor Prozessbeginn unbeeindruckt. „Ich denke nicht im Traum daran, Zugeständnisse an die Wünsche der Gefährder zu machen, nur um meine Sicherheit zu erhöhen“, sagte er Anfang Mai dem Portal Zeit Online. Er sei seinen Personenschützern dankbar. Mittlerweile habe er rund um die Uhr Personenschutz. „Wenn man mir vor zehn oder 15 Jahren gesagt hätte, dass ich mich mit Reichsbürgern herumschlagen muss, es zur Debatte steht, ob wir erschossen oder gekidnappt werden - dann hätte ich das für undenkbar gehalten“, fügte der Minister hinzu.

− afp