Im bayerischen Fußball werden Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierungen künftig härter geahndet. Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) kooperiert mit der Justiz. Tätern drohen nun automatisch strafrechtliche Konsequenzen.
Da ist zum Beispiel jener rassistische Vorfall bei einem Fußballspiel zweier bayerischer Amateurklubs in der vergangenen Saison. Im Laufe dieser Partie rief ein Zuschauer einem Kicker der gegnerischen Mannschaft zunächst Affenlaute zu, ehe er in dessen Richtung schrie: „Geh zurück in den Urwald!“ Der Schiedsrichter notierte diese üblen Beleidigungen im Spielberichtsbogen, worauf der Bayerische Fußball-Verband (BFV) den Fall vor sein Sportgericht brachte. Doch diesem waren die Hände gebunden: „Das Sportgericht konnte nicht sanktionieren, weil der Zuschauer keinem Verein angehört“, berichtet BFV-Präsident Christoph Kern. „Also wurde der Verein sanktioniert, was natürlich unbefriedigend ist. Schließlich wollten wir den Täter sanktionieren.“
Damit dies bei derlei Hass und Hetze auf dem Fußballplatz künftig öfter geschieht, haben die Generalstaatsanwaltschaft München und der BFV nun eine bundesweit einmalige Kooperation gestartet. Das Ziel: Rassistische, antisemitische und andere menschenfeindliche Handlungen auf und neben dem Rasen sollen konsequenter verfolgt und bestraft werden. Ganz konkret geht es auch um Gewalt und Drohungen gegen Schiedsrichter. „Wer sich bei uns menschenverachtend benimmt, hat keinen Platz in unserer Fußballfamilie“, betont BFV-Chef Kern bei der Präsentation der Zusammenarbeit in München. „Deswegen ist es nur konsequent, dass wir im Rahmen unserer neuen Kooperation jetzt auf direktem Wege die Justiz einschalten.“
Meldungen von Schiedsrichtern werden weitergeleitet
Konkret haben Schiedsrichter die Möglichkeit, „erhebliche diskriminierende Handlungen“ im digitalen Spielbericht zu vermerken, sagt Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle. Diese Vorfälle würden dann über den BFV direkt an die Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet, wo sie von Staatsanwälten geprüft werden, die auf Hasskriminalität spezialisiert sind. In der Folge könnte dann – je nach Vergehen – ein Strafverfahren eingeleitet werden.
„Es ändert sich nichts daran, was strafbar ist und was nicht“, stellt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) klar, der Schirmherr der Kooperation. „Und trotzdem macht es Sinn, wenn man niederschwellige Verfahren oder einen vorgegebenen Rahmen anbietet, um Strafanzeigen zu erstatten.“ Wichtig sei zudem das Signal, das von der Kooperation ausgehe, betont Eisenreich: „Der Staat schaut nicht weg, sondern er schaut hin – und er greift durch.“
87 Spielabbrüche bei gut 185.000 Spielen
Wobei die große Mehrheit der Spieler und Fans friedlich sei, ergänzt der Minister sogleich. Laut dem DFB-Lagebild Amateurfußball kam es vergangene Saison bei gut 185000 Partien in Bayern zu 87 Spielabbrüchen. Im Weiteren wurden 315 Gewaltvorfälle und 196 Diskriminierungen registriert.
Eine davon, auf die Kern beispielhaft eingeht, ereignete sich nach einem Jugendspiel in der Umkleidekabine. Dort hätten einige Kicker einer U17-Mannschaft unter der Dusche „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ gerufen. Auch in diesem Fall kam es – wie bei den rassistischen Rufen des Zuschauers – zwar zu einem Verfahren vor dem BFV-Sportgericht. Strafrechtlich jedoch musste sich keiner der jungen Fußballer verantworten, da keine Anzeige erstattet wurde. „Unsere Sportgerichte sind ausschließlich mit Ehrenamtlichen besetzt und haben bei Weitem nicht die Ermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft“, betont Kern. Werde diese nun automatisch über derlei Vorfälle informiert, so steige die Wahrscheinlichkeit, dass Täterinnen und Täter ausfindig gemacht und bestraft werden.
„Der Fußballplatz ist ein Platz für Emotionen, aber es gibt Grenzen“
Durch das „institutionalisierte Verfahren“ nehme man Geschädigten von Hass und Hetze überdies die Last, selbst Strafanzeige zu stellen, sagt Generalstaatsanwalt Röttle. „Die geschlossene Vereinbarung nimmt den Opfern diese Verantwortung ab.“ Allerdings sollen bloß „erhebliche Vorfälle“ an die Strafverfolger gemeldet werden, betont Justizminister Eisenreich. „Der Fußballplatz ist ein Platz für Emotionen und Leidenschaft, da darf man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Aber es gibt Grenzen, die das Strafrecht vorgibt.“ Und hier solle noch mehr hingeschaut werden, sagt Eisenreich, der überzeugt ist: „Die neue Kooperation leistet einen wichtigen Beitrag für das Sicherheitsgefühl der Menschen auf dem Fußballplatz.“
− mgb
Zu den Kommentaren