„Die Leute waren ausgehungert“
Handelsverband: Es wurde in Bayern so viel geböllert wie zuletzt zur Jahrtausendwende

02.01.2023 | Stand 17.09.2023, 6:22 Uhr

Ein fulminantes Feuerwerk gab es auch über Traunreut (Landkreis Traunstein). „Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Raketen am Himmel gesehen zu haben“, schreibt Fotograf Michael Benje zu seinem Bild. −Foto: Benje

Der Handelsverband Bayern geht davon aus, dass Silvester 2022 im Freistaat eines der umsatzstärksten für die pyrotechnische Industrie seit der Jahrtausendwende war.



„Silvester ist krisenfest“, sagt der Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern, Bernd Ohlmann. Trotz der stark gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie würde den Menschen die Lust am Geldausgeben fürs Feuerwerk zum Jahreswechsel nicht vergehen. „Wer ballern will, ballert“, weiß Ohlmann aus langjähriger Erfahrung, „da wird nicht gespart“. Und schon gleich gar nicht nach zwei Jahren Corona-Zwangspause.

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Der Handelsverband geht davon aus, dass Silvester 2022 in Bayern eines der umsatzstärksten für die pyrotechnische Industrie seit der Jahrtausendwende war. Geschäftsführer Ohlmann schätzt sogar, dass es sich um das beste seit 1999/2000 handelt. Die genauen Zahlen liegen allerdings erst in der kommenden Woche vor. Zum Jahreswechsel 2022/23 seien mindestens 21 Millionen Euro Umsatz mit Knall- und Feuerwerkskörpern gemacht worden, betont Ohlmann. Rechnet man diese Summe auf ganz Deutschland hoch, so ist bundesweit an diesem Silvester ein Mindestbetrag von einer Viertel Milliarde Euro in die Luft geballert worden.

„Die Leute waren ausgehungert“



Ohlmann hatte sich zum Rakten- und Knaller-Verkaufsstart am vergangenen Donnerstag selbst ein Bild von der Lage in bayerischen Märkten gemacht. Kunden hätten teils die Kartons regelrecht aufgerissen, um noch Böller zu ergattern. Die Verkäufer seien mit dem Auffüllen der Regale gar nicht nachgekommen. „Man hatte den Eindruck, das ist das letzte Silvester, das es überhaupt noch gibt. Die Leute waren ausgehungert.“ Rund 50 Prozent der Feuerwerkskörper gehen laut Ohlmann bei Discountern über die Ladentheke, 30 Prozent bei Supermärkten und die restlichen 20 Prozent bei Baumärkten oder Tankstellen.

Doch wie ist es zu erklären, dass die Menschen in Bayern einerseits über die gestiegenen und fast nicht mehr leistbaren Lebenshaltungskosten klagen und gleichzeitig Geld für Böller ausgeben? Er beobachte eine „Jetzt-erst-recht-Mentalität“, sagt Ohlmann im Gespräch mit unserer Zeitung. „Viele haben sich gesagt, das war so ein schlechtes Jahr, da gönnen wir uns jetzt was.“ Auch das Wetter habe einen Beitrag zum rekordverdächtigen Umsatz der Feuerwerksbranche geleistet. Es sei für die Silvesternacht kein Regen angekündigt gewesen. „Das hat perfekt gepasst.“

Feuerwerk wird „immer grüner“



Ein Verzicht auf die Böllerei aus Umweltschutzgründen sei inzwischen nicht mehr unbedingt gegeben, betont der Geschäftsführer des Handelsverbands. Denn das Feuerwerk werde „immer grüner“. Die pyrotechnische Industrie versuche, Plastik zu vermeiden und setze verstärkt auf recycelbares Material. Allerdings ist die Feinstaub-Belastung in Bayern um den Jahreswechsel sprunghaft gestiegen. So wiesen viele Messstationen nur noch eine sehr schlechte oder schlechte Luftqualität aus, darunter in Ingolstadt, München, Landshut und Regensburg. Auch am Neujahrstag überschritten die Tagesmittelwerte an zahlreichen Messstationen den Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Unterdessen wird über ein generelles Böllerverbot debattiert, nachdem schwere Unfälle und Straftaten mit Feuerwerkskörpern sowie Angriffe auf Einsatzkräfte die Silvesternacht überschatteten. Die Gewerkschaft der Polizei befürchtet an Silvester künftig Ausschreitungen wie am 1. Mai.