„Politisch und rechtlich falsch“
Grenzkontrollen trotz Protesten verlängert: Reaktionen auf die Entscheidung

14.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:36 Uhr

Polizisten kontrollieren Autofahrer am Grenzübergang. −Fotos: dpa

Kontrollstationen an der deutsch-österreichischen Grenze bleiben für ein weiteres halbes Jahr bestehen. Das kündigt Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einem Schreiben an die EU-Kommission an. Politiker und Gewerkschaftsvertreter reagieren mit Kritik.



Die Bundesinnenministerin weist mit ihrer Entscheidung Forderungen aus Bayern zurück, die Kontrollstationen, die vor fast acht Jahren im Zuge der Flüchtlingskrise errichtet wurden, wieder abzuschaffen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP), zuständig für die Bundespolizei und den Zoll, bezeichnet diese Form der Kontrollen als „nicht zielführend“.

Bundesvorsitzender Andreas Roßkopf hält die weitere Verlängerung für „bedauerlich und sehr schade“. Die Erfahrungen der Bundespolizei, dass flexible und mobile Grenzkontrollen im Kampf gegen die illegale Migration wesentlich effektiver seien als fixe Kontrollpunkte, hätten keine Berücksichtigung im Bundesinnenministerium gefunden, sagt Roßkopf – er vertritt rund 34.000 Mitglieder – im Gespräch mit der Mediengruppe Bayern. Stationäre Kontrollen hätten eine „hohe Durchschaubarkeit für das Gegenüber“.

„Für Kriminelle berechenbar geworden“



Ähnlich äußert sich der Vorsitzende der Bundespolizei-Direktionsgruppe Bayern der Gewerkschaft der Polizei, Martin Meisen, gegenüber unserer Zeitung: „Wir sind für Kriminelle berechenbar geworden. Personen, die heute zurückgewiesen werden, versuchen in zwei Wochen, an anderer Stelle nach Deutschland einzureisen.“ Illegale würden dann eben Ausweichrouten über die Schweiz und Tschechien nehmen.

„Man muss hier ganz klar die Frage stellen: welche Grenzkontrollen?“, sagt Meisen und betont: „Wir stehen an neuralgischen Punkten und kontrollieren durchfahrende Autos. Dafür sind andere grenzüberschreitende Straßen verwaist, weil uns schlicht das Personal fehlt, um echte Vollkontrollen durchzuführen.“

Bayerische Grünen-Fraktionschefin Schulze übt starke Kritik



Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Katharina Schulze, übt auf Anfrage der Mediengruppe Bayern Kritik. „Ich halte es für falsch – politisch und rechtlich –, dass das SPD-geführte Innenministerium die Grenzkontrollen mit Ausnahmegenehmigung weiterführt. Das EuGH hat ein klares Urteil für die Freizügigkeit und gegen ein Europa der Schlagbäume gefällt. Wir leben im Jahr 2023 und tragen die Verantwortung für einen zeitgemäßen Umgang mit einer der größten Errungenschaften innerhalb Europas: der Reisefreiheit im Schengen-Raum.“

Mehr Sicherheit in Europa sei auch „ohne sinn- und endlose innereuropäische Grenzkontrollen möglich“. Schulze betont: „Schleuserbanden wissen doch ganz genau, wo sich die Kontrollpunkte befinden und umgehen diese gezielt. Um wirklich mehr Sicherheit zu erhalten, brauchen wir mehr grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit, anlassbezogene Schwerpunktkontrollen und mehr Polizistinnen und Polizisten innerhalb unseres Landes.“

„Versagen der EU in Migrationspolitik“



Die Grünen hatten sich mit einem offenen Brief an Bundesinnenministerin Faeser gewandt und diese darin aufgefordert, die stationären Grenzkontrollen einzustellen. Diese seien „völlig ungeeignet, um das Versagen der Europäischen Union in der Migrationspolitik zu überdecken“, schreiben Schulze und der Bundestagsabgeordnete Leon Eckert, der Mitglied im Innenausschuss des Bundestags ist.

Wer illegal nach Deutschland einreisen möchte, dem sei mittlerweile klar, „dass er nicht die Autobahn über Kufstein nehmen darf“, heißt es in dem offenen Brief. Die stationären Grenzkontrollen seien vielmehr „reine Symbolpolitik, die die Menschen im Land täglich belastet, die Kriminalität aber nicht eindämmt“. Vor den Kontrollpunkten bilden sich vor allem in der Urlaubszeit längere Staus. Auch Pendler sind betroffen.

− mgb/dpa