Schädlinge im Wald
Fichten sind nirgendwo mehr sicher vor Borkenkäfern

29.07.2024 | Stand 29.07.2024, 4:04 Uhr |

Borkenkäfer-Taskforce im Frankenwald - Die Innenseite dieser Fichtenrinde zeigt Spuren der Borkenkäferlarven. - Foto: Daniel Vogl/dpa

650 Meter galten bei manchen Fachleuten als Limit: In Bergregionen über dieser Höhe sollte die Fichte noch eine Zukunft haben. Aber auch diese Zeiten scheinen vorbei.

Lange Zeit galten die Höhenlagen der deutschen Mittelgebirge als sichere Standorte für die Fichte - doch selbst dort greift der Borkenkäfer die Nadelbäume an. „Es ist nichts mehr sicher“, sagte Henrik Hartmann, Leiter des Instituts für Waldschutz am Julius Kühn-Institut in Quedlinburg. „Der Buchdrucker-Borkenkäfer geht mittlerweile auch in die Bestände in den Höhenlagen.“

In den Mittelgebirgen herrschen niedrigere Temperaturen als in den Niederungen. „Bisher dachten wir: Dem Borkenkäfer gefällt es in den Höhenlagen über 650 Metern nicht so gut“, sagte Hartmann. „Dort konnte zwar immer mal ein Borkenkäfer vorkommen, aber Massenvermehrungen sahen wir da früher nicht.“ Hitzejahre und Dürren führten auch dort immer wieder zu Trockenstress, durch Sturm umgeworfene und geschwächte Bäume bilden leichte Angriffspunkte.

Kaum noch große Fichten im Harz

Michael Rudolph, Pressesprecher der Niedersächsischen Landesforste, sieht diese Entwicklung schon seit einigen Jahren. „2018 bis 2022 hatten wir im Harz durchweg ganz starken, massiven Befall, bis in die höchsten Berglagen.“ Mittlerweile gebe es dort weniger Buchdrucker - einfach weil es kaum noch starke, bruttaugliche Bäume gebe. „In diesem Jahr sieht es auch sonst sehr gut aus, es gab auch viel Regen und eher kühles Wetter, das hilft den Bäumen.“

Buchdrucker-Borkenkäfer sind auf Fichten spezialisiert. Sie bohren sich in die Bäume und legen ihre Eier unter der Rinde ab. Nach dem Schlüpfen ernähren sich die Larven von der Bastschicht, in der der Baum Wasser und Nährstoffe transportiert. Wird die zerstört, stirbt der Baum. Besonders anfällig für Befall sind Bäume, die durch Trockenheit ohnehin schon geschwächt sind.

Auch auf 1500 Meter schon entdeckt

Markus Kautz von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg erklärt, dass auch der Schwarzwald betroffen ist: „Die Temperaturen sind selbst in Höhenlagen von 1000 bis 1500 m ausreichend, damit der Buchdrucker ausschwärmt, Fichten befällt und sich fortpflanzt.“ Dort sehe man nun ein bis zwei Generationen pro Jahr. In niedrigeren Lagen werden häufig mittlerweile sogar drei oder gar vier Generationen entdeckt.

Auch in Bayern verlagere sich das Borkenkäfer-Aufkommen „so langsam nach oben“, sagt Tobias Frühbrodt von der Abteilung Waldschutz. „Im Bayerischen Wald haben wir derzeit sehr viel Befall, definitiv rauf bis 1000 Meter. Im alpinen Wald in Südbayern ist es aber noch keine Massenvermehrung, da wir am Alpenrand höhere Niederschläge haben.“ In Österreich aber gebe es Borkenkäfer auch deutlich über 1000 Meter, bis auf 1600 Meter hoch.

Mischwälder statt Monokulturen

Müssen wir uns also, abgesehen vielleicht von ein paar Bergwäldern in Hochlagen, an eine Zukunft ohne Fichten gewöhnen? „Man will und wird sie nicht ausrotten“, sagt Rudolph von den Niedersächsischen Landesforsten. „Aber sie wird nicht mehr in Monokulturen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets stehen.“

Johannes Schmitt, Geschäftsführer beim Deutschen Forstwirtschaftsrat, sagt Ähnliches: „Wir erachten die Fichte als Reinbestand gar nicht mehr als sicher. Nur in geringen Prozent im Mischbestand hat sie eine Zukunft.“ In so einem Wald in der Höhe könnten - je nach Lage - zum Beispiel Weißtanne, Bergahorn, Eberesche, Buche, Traubeneiche, Douglasie, Lärche und auch Fichte stehen.

Ein Problem ist, dass Waldumbau lange dauert. „Ein Baum wächst eben mehrere Jahrzehnte“, erklärt Schmitt. Deswegen, ergänzt Rudolph, lasse man erst mal jede Fichte stehen, der es gut gehe. „Jeder lebende Fichtenbaum wirft noch Schatten, wir sind dankbar um jeden alten Baum, der noch ein paar Jahre durchhält.“

© dpa-infocom, dpa:240729-930-187191/1

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